Rz. 1645

[Autor/Stand] Übernahme von Anlaufverlusten durch den Auftraggeber. Nach Tz. 3.5 VWG 1983[2] sind sog. "Anlaufkosten" grundsätzlich von der neu gegründeten Gesellschaft zu tragen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob diese Sichtweise der Finanzverwaltung auch auf verbundene Lohnfertigungsunternehmen anzuwenden ist. Zwar entstehen einem Lohnfertiger auf Grund seines eingeschränkten unternehmerischen Funktions- und Risikoprofils idR keine besonderen Kosten des Aufbaus einer Innen- bzw. Außenorganisation. Allerdings erwachsen Lohnfertigern nicht selten auf Grund anfänglich geringer Stückzahlen und folglich einer geringen Auslastung produktionsbezogene Anlaufkosten in Gestalt sog. Leerkosten, die häufig zu Anlaufverlusten führen können. Tz. 3.5 VWG 1983 ist auf solche Anlaufverluste des Lohnfertigers nicht anzuwenden. Denn dieser Regelung liegt offensichtlich der Gedanke eines vollumfänglich ausgestatteten, dh. mit eigenen Marktchancen und -risiken versehenen Eigenproduzenten zugrunde. Bei einem Lohnfertiger handelt es sich dagegen um ein Routineunternehmen mit geringen unternehmerischen Risiken. Die Regelung der Tz. 3.5 VWG 1983 kann daher nicht auf Fälle der Lohnfertigung angewendet werden, sondern nur auf den umgekehrten Fall des Eigenproduzenten. Ist daher ein verbundenes Produktionsunternehmen als Lohnfertiger zu qualifizieren, sind die bei ihm entstehenden Anlaufverluste grundsätzlich vom Auftraggeber zu tragen.[3] Dies folgt auch aus den VWG-Verfahren, wonach einem Lohnfertiger als Routineunternehmen "bei üblichem Geschäftsablauf keine Verluste, sondern regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne"[4] zuzuordnen sind. Würde der Lohnfertiger hingegen solche Anlaufverluste tragen, wäre es ihm ggf. nicht möglich, über die Totalperiode einen Gewinn auszuweisen. Ihm würde somit die Möglichkeit genommen, kurz- und mittelfristig einen angemessenen Lohnfertigergewinn zu erzielen.[5] Diese Grundsätze gelten prinzipiell auch in Bezug auf Schließungskosten sowie in Zeiten eines konjunkturellen Nachfrage- oder Preisrückgangs (zB Wirtschaftskrise), wobei hier allerdings ein temporärer Gewinnverzicht prinzipiell denkbar ist.[6]

 

Rz. 1646

[Autor/Stand] Implikationen des BFH-Urteils v. 17.10.2001. Die Zuordnung von Anlaufverlusten in Lohnfertigungsverhältnissen zum Auftraggeber kann im Übrigen auch aus der Rspr. des BFH zur Nichtanerkennung von nachhaltigen Verlustsituationen bei Vertriebsgesellschaften abgeleitet werden. So hat der BFH mit Urteil v. 17.10.2001 entschieden, dass eine Vertriebsgesellschaft "innerhalb eines überschaubaren Kalkulationszeitraums mit einem angemessenen Totalgewinn rechnen"[8] muss. Zwar wurde dieser Grundsatz zu als Eigenhändler organisierten Vertriebsgesellschaften judiziert. Bei Lohnfertigungsverhältnissen kann indessen nichts anderes gelten, weil auch der Lohnfertiger – vergleichbar zur Vertriebsgesellschaft des Sachverhalts v. 17.10.2001 – als Routineunternehmen zu qualifizieren ist. Im Produktionsbereich kann daher für funktions- und risikoschwache Unternehmen nichts anderes gelten als im Vertriebsbereich. Denn auch der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eines Lohnfertigers würde auf Dauer keine Produkte in einer Lohnfertigung herstellen, wenn er aus seiner Tätigkeit keinen angemessenen Totalgewinn erzielen kann. Verlustphasen des Lohnfertigers dürfen im Übrigen auch nicht dazu führen, dass ihm die von ihm erwirtschafteten Standortvorteile "genommen" werden (Anm. 1636).

[Autor/Stand] Autor: Ditz, Stand: 01.03.2016
[2] BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 – Tz. 3.5, vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 5 ff.
[3] Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 327; Baumhoff in Mössner ua., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 3 252; Baumhoff in FS Krawitz, S. 31; Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 9 OECD-MA Rz. 88; Ditz/Just, DB 2009, 142.
[4] BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 – Tz. 3.4.10.2 Buchst. a, vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 129 ff.
[5] Auch nach Ansicht von Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, S. 316, ist dem Lohnfertiger "regelmäßig ein – wenn auch geringer – Gewinn (Funktionsnutzen) zuzuweisen." Siehe ferner Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 327.
[6] Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, S. 32 f.
[Autor/Stand] Autor: Ditz, Stand: 01.03.2016

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