Rz. 1486

[Autor/Stand] Auffassung der Finanzverwaltung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt eine Funktionsverlagerung vor, "wenn der Vertrieb (als Ganzes oder Teile davon) auf ein übernehmendes Unternehmen übertragen wird."[2] Nach Auffassung der Finanzverwaltung löst damit der in der Praxis äußerst relevante Fall der erstmaligen Gründung einer Vertriebsgesellschaft eine Funktionsverlagerungsbesteuerung aus. Diese allgemeine Aussage der Finanzverwaltung ist indessen nicht sachgerecht. Denn einerseits steht außer Zweifel, dass die Verlagerung von Vertriebsfunktionen auf als Routineunternehmen organisierte ausländische Vertriebsgesellschaften keine Funktionsverlagerung auslösen kann (zB auf eine als Low-Risk-Distributor, Kommissionär oder Handelsvertreter organisierte ausländische Vertriebsgesellschaft). Denn in diesen Fällen geht kein Gewinnpotential auf die ausländische Vertriebsgesellschaft über, so dass bereits die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung nicht erfüllt sind (Anm. 1247 ff.). Im Übrigen ist in diesen Fällen – auch nach Auffassung der Finanzverwaltung – § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV einschlägig, wenn die Vertriebsgesellschaft auf Basis der Kostenaufschlagsmethode, der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode oder einer Provision vergütet wird (Anm. 1252).[3]

 

Rz. 1487

[Autor/Stand] Ablehnung der Auffassung der Finanzverwaltung. Schließlich geht die Finanzverwaltung (sehr allgemein) davon aus, dass die Verlagerung des Vertriebs auf eine als Eigenhändler organisierte Vertriebsgesellschaft (Anm. 586) zu einer Funktionsverlagerung führt.[5] Auch diese allgemein gehaltene Aussage der Finanzverwaltung ist abzulehnen.[6] Dies soll an folgendem Beispiel veranschaulicht werden:

 

Beispiel

Die im Inland ansässige A-GmbH vertreibt die Produktgruppen A und B, wobei für beide Produktgruppen unterschiedliche Vertriebsabteilungen zuständig sind. Die Vertriebsabteilungen sind jeweils für die genannte Produktgruppe für die Länder Deutschland, Frankreich und Spanien verantwortlich. Die Länderbeauftragten arbeiten dabei nicht in abgegrenzten organisatorischen Einheiten, so dass als Funktion i.S. des § 1 Abs. 1 FVerlV (Anm. 1205 ff.) die beiden Funktionen "Vertrieb Produkt A" und "Vertrieb Produkt B" zu qualifizieren sind. Die A-GmbH gründet in Spanien eine Tochter-Vertriebsgesellschaft, welche die Produkte der Gruppen A und B zukünftig als Eigenhändler im eigenen Namen und auf eigene Rechnung in Spanien vertreiben soll. Hintergrund der Gründung der Vertriebsgesellschaft ist die Erwartung, mit einem eigenständigen Außendienst in Spanien den spanischen Markt besser zu erschließen und damit den Umsatz mit den Produktgruppen A und B erheblich ausweiten zu können.

 

Rz. 1488

[Autor/Stand] Keine Funktionsverlagerung bei Gründung einer Vertriebsgesellschaft. Für den vorstehenden Sachverhalt geht die Finanzverwaltung wohl davon aus, dass von einer Funktionsverlagerung des Vertriebs von der A-GmbH auf die neu gegründete spanische Tochter-Vertriebsgesellschaft auszugehen ist.[8] Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Denn bei der A-GmbH bestand vor der Gründung der spanischen Vertriebsgesellschaft kein organischer Teil des Unternehmens (Anm. 1209 ff.), der für den Vertrieb in Spanien verantwortlich war. Infolgedessen ist der Vertrieb der Produktgruppen A und B für Spanien nicht als Funktion i.S. des § 1 Abs. 1 FVerlV zu qualifizieren und kann infolgedessen auch nicht Gegenstand einer Funktionsverlagerung sein.[9] Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Gründung der Vertriebsgesellschaft in Spanien im eigenen betrieblichen Interesse der A-GmbH ist. Denn durch die Gründung der Vertriebsgesellschaft wird erwartet, dass der Umsatz in Spanien (erheblich) ansteigen wird, so dass auch unter unabhängigen Dritten in diesem Fall weder ein Entgelt für eine Funktionsverlagerung noch ein Entgelt für die Übertragung eines Kundenstamms zum Ansatz kommt. Die Gründung der spanischen Vertriebsgesellschaft ist vielmehr im ureigenen Interesse der A-GmbH.

[Autor/Stand] Autor: Ditz/Greinert, Stand: 01.03.2016
[2] BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774 – Rz. 211, vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 251 ff.
[3] Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774 – Rz. 67, vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 251 ff.
[Autor/Stand] Autor: Ditz/Greinert, Stand: 01.03.2016
[5] Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774 – Rz. 211, vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 251 ff.
[6] Vgl. auch von Bredow, Reallokation von Funktionen in grenzüberschreitend tätigen Konzernen, S. 84 f.
[Autor/Stand] Autor: Ditz/Greinert, Stand: 01.03.2016
[8] Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774 – Rz. 211, vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 251 ff.
[9] Vgl. auch von Bredow, Reallokation von Funktionen in grenzüberschreitend tätigen Konzernen, S. 8...

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