a) § 20 Abs. 1 und EU-Recht

 

Rz. 50

[Autor/Stand] Grundproblem. § 20 Abs. 1 besagt, dass nach dt. innerstaatlichen Recht die DBA beim Bezug von Einkünften i.S. der §§ 718 AStG keine Anwendung finden. Damit werden bestimmte im Ausland realisierte Sachverhalte anders besteuert als gleichartige, die im Inland realisiert werden. Unionsrechtlich berührt dies sowohl die Niederlassungsfreiheit i.S. des Art. 49 AEUV als auch die Kapitalverkehrsfreiheit i.S. des Art. 63 AEUV, wobei die Verletzung der Niederlassungsfreiheit nur bei einer Einkünfteerzielung in einem EU-/EWR Staat relevant ist, während die Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit auch im Verhältnis zu sog. Drittstaaten denkbar ist. Das Grundproblem hat vielfältige Aspekte (vgl. Anm. 53).

 

Rz. 51

[Autor/Stand] Verstoß gegen Art. 293 Spiegelstrich 2 EGV a.F. Bewirkt die Hinzurechnungsbesteuerung ein "Treaty Overriding" (vgl. Anm. 22 ff.), dann stellt sich die Frage, inwieweit dieser Abkommensbruch mit EU-Recht kollidiert. Im Schrifttum wurde ganz überwiegend ein Verstoß gegen Art. 293 Spiegelstrich 2 EGV a.F. bejaht.[3] Allerdings stellt die Regelung lediglich objektives Recht dar, auf welches sich der einzelne Gemeinschaftsbürger grundsätzlich nicht berufen kann. Der EuGH hat dies jedenfalls in der Rechtssache "Gilly" unzweideutig festgestellt.[4] Deshalb dürfen allenfalls die Mitgliedstaaten oder die EU-Kommission ein "Treaty Override" im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem EuGH angreifen. Damit sollte aber nicht wirklich zu rechnen sein. Im Übrigen deuten die apodiktischen Ausführungen des EuGH in der Rechtssache "Columbus Container Services" darauf hin, dass sich der Gerichtshof auch dafür nicht berufen fühlt.[5] Hinzu kommt, dass sich die Regelung im AEUV nicht mehr wiederfindet. Damit scheinen sich auch die Mitgliedstaaten in dieser Angelegenheit einig zu sein.[6]

 

Rz. 52

[Autor/Stand] Vorlagebeschluss des BFH v. 12.10.2016. Der BFH hat durch Beschluss v. 12.10.2016[8] dem EuGH die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter in Drittstaatensachverhalten vollständig mit dem Unionsrecht vereinbar ist. In dem Vorlagefall war eine dt. GmbH zu 30 v.H. an einer schweizerischen AG beteiligt, die Einkünfte aus abgetretenen Geldforderungen erzielt hatte. Das FA unterwarf diese Einkünfte als Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter der Hinzurechnungsbesteuerung. Es geht um die Frage, ob § 8 Abs. 2 nicht auch im Verhältnis zu Drittstaaten Anwendung finden muss. Der BFH geht mit einer im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung[9] (vgl. § 8 AStG Anm. 429 ff.) davon aus, dass nur der abstrakte Inhalt einer Norm darüber entscheidet, ob die Niederlassungsfreiheit die Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt. Nach der Auffassung des BFH findet die Niederlassungsfreiheit nur dann vorrangige Anwendung, wenn die einschlägige Vorschrift (hier: § 7 Abs. 6) nur speziell auf Beteiligungen mit unternehmerischem Einfluss Anwendung findet. Insoweit kommt es auf die Zielrichtung des § 7 Abs. 6 an.

 

Rz. 53

[Autor/Stand] Breitenwirkung des Vorlagebeschlusses. Auch wenn die Vorlage unmittelbar die Zwischengesellschaften betrifft, die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielen, so geht doch die Breitenwirkung der Entscheidung sehr viel weiter. Zum einen ist § 8 Abs. 2 einschlägig (vgl. § 8 AStG Anm. 400 ff.). Man denke ferner an den Fall, dass dann, wenn Steuerinländer an einer ausländischen Drittstaatengesellschaft zu mehr als der Hälfte beteiligt sind, einzelne Steuerinländer dennoch nur eine Mini-Beteiligung halten können. Steht fest, dass die mini-beteiligten Steuerinländer keinerlei unternehmerischen Einfluss auf die Zwischengesellschaft ausüben können, so steht bezogen auf sie eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit i.S. des Art. 63 AEUV zur Diskussion. Die Beteiligung an einer Drittstaatenkapitalgesellschaft von z.B. 25 v.H. ist nicht gleichbedeutend mit der Möglichkeit der Einflussnahme auf die unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft. In allen Fällen, in denen eine derartige Möglichkeit ausgeschlossen ist, stellt sich die Frage, ob nicht nur eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit in Betracht kommt. Man stelle sich weiter vor, dass Steuerinländer an einer aktiven ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Dies schließt nicht aus, dass die aktive ausländische Kapitalgesellschaft unmittelbar oder über mehrere nachgeschaltete ausländische Kapitalgesellschaften an einer in einem Drittstaat ansässigen Zwischengesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits nur Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielt. Die Steuerinländer müssen von der Existenz der nachgeschalteten Zwischengesellschaft keine Kenntnis haben. Auch in diesem Fall stellt sich die Frage, ob Art. 63 AEUV der Zurechnung und Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter entgegensteht.

 

Rz. 54

[Autor/Stand] Ausnahmebestimmung des Art. 64 Abs. 1 AEUV. Art. 63 AEUV greift dann nicht, w...

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