Rz. 28.9

[Autor/Stand] § 1 oder Einlage bzw. Entnahme. Für Leistungen, die eine inländische Muttergesellschaft an ihre ausländische Tochtergesellschaft unentgeltlich oder teilunentgeltlich erbringt, stellt sich stets die Frage, ob eine Gewinnkorrektur vorrangig nach § 1 oder nach Einlage- bzw. Entnahmegrundsätzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 und § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG) vorzunehmen ist. Dabei wird der Vermögensabgang bei der Muttergesellschaft einerseits als Entnahme und andererseits als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der Tochtergesellschaft behandelt. Insoweit sind die Einlage- und Entnahmegrundsätze vorrangig anzuwenden, wenn der Gegenstand der Vorteilszuwendung ein einlagefähiges Wirtschaftsgut ist.[2] Ob § 1 anzuwenden ist, wenn die Vorteilszuwendung aus Dienstleistungen oder Nutzungsüberlassungen besteht, ist streitig. Es kann auch bei der Muttergesellschaft eine Entnahme anzunehmen sein, die die Anwendung des § 1 ausschließt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beispiele in der Rz. 29.5 verwiesen.

 

Rz. 29

[Autor/Stand] Offene Einlage. Bei der Beurteilung des Verhältnisses zwischen § 1 und einer Einlage sollte zwischen offenen und verdeckten Einlagen unterschieden werden. Die offene Einlage beruht immer auf dem Gesellschaftsverhältnis. Ihr Kennzeichen ist, dass sie in keinem Zusammenhang mit einer neben dem Gesellschaftsverhältnis bestehenden Geschäftsbeziehung steht. Dies gilt gleichermaßen für Einlagen gegen und ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten. Es macht auch keinen Unterschied, ob die Einlage aus der Sicht des einlegenden Gesellschafters oder der empfangenden Gesellschaft zu beurteilen ist. So gesehen scheidet die Anwendung des § 1 tatbestandsmäßig immer aus, wenn eine offene Einlage gegeben ist.[4] Dies gilt auch deshalb, weil die offene Einlage nach den allgemeinen Einkünfteermittlungsvorschriften zu beurteilen ist, was keinen Raum für die Anwendung einer Einkünftekorrekturvorschrift lässt.

 

Rz. 29.1

[Autor/Stand] Verdeckte Einlage. Für die verdeckte Einlage gilt nichts anderes, wenn man sie aus der Sicht der Gesellschaft sieht, in deren Vermögen eingelegt wird. Das Wesen der verdeckten Einlage besteht in einer Vermögensmehrung der Gesellschaft, für die die Gefahr besteht, dass sie den Unterschiedsbetrag i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG erhöht, obwohl die Vermögensmehrung eben nicht von der Gesellschaft erwirtschaftet, sondern vom Gesellschafter zugewendet wurde.[6] Selbst wenn man jedoch die Einlage auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung "gewinnerhöhend" behandelt, um die Rechtsfolge des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG erst auf der zweiten Stufe eingreifen zu lassen, so kann die Einlage niemals eine Minderung der Einkünfte bewirken.[7] Dies gilt selbst dann, wenn Gegenstand der Einlage kein Wirtschaftsgut, sondern eine (teilweise) unentgeltliche Nutzungsüberlassung oder Dienstleistung ist. Aus der Sicht der die Einlage empfangenden Gesellschaft sind stets nur die Rechtsfolgen der Einlage anzusetzen. Für die Anwendung des § 1 ist schon tatbestandsmäßig kein Raum.

 

Rz. 29.2

[Autor/Stand] Steuerrechtliche Beurteilung aus Sicht des einlegenden Gesellschafters. Das eigentliche Konkurrenzproblem zwischen § 1 und einer Einlage stellt sich, wenn eine verdeckte Einlage aus der Sicht des einlegenden Gesellschafters steuerrechtlich zu beurteilen ist. In diesem Fall begründet das Rechtsgeschäft, das die Einlage verdecken soll, die für die Anwendung des § 1 erforderliche Geschäftsbeziehung. Auch liegt es in der Natur der verdeckten Einlage, dass der einlegende Gesellschafter nicht das Entgelt erhält, was ein fremder Dritter erhalten hätte, der die die Einlage bildende Lieferung oder Leistung auf der Grundlage einer Geschäftsbeziehung erbracht hätte. Es fehlt also nicht an einer Minderung von Einkünften. Dennoch gehen die Zielsetzungen der verdeckten Einlage und des § 1 diametral auseinander. § 5 Abs. 6 EStG gebietet es, verdeckte Einlagen auch beim Gesellschafter als Leistungen zu behandeln, die auf der Basis des bestehenden Gesellschaftsverhältnisses erbracht werden. § 1 will dagegen die Einlage wie eine Leistung auf der Grundlage einer Geschäftsbeziehung behandeln. § 1 Abs. 1 Satz 4 stellt klar, dass die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1 Vorrang hat. Wenn deshalb § 5 Abs. 6 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG gebietet, die verdeckte Einlage beim einlegenden Gesellschafter als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung zu behandeln, so schließt dies die Annahme einer Geschäftsbeziehung und damit einer Minderung der Einkünfte aus einer Geschäftsbeziehung nicht aus. Denn aus einer Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 sind nur solche Geschäftsvorfälle auszuklammern, die einen formal-rechtlichen Niederschlag im Gesellschaftsvertrag gefunden und zusätzlich zu einer materiell-rechtlichen Änderung der Organisationsstruktur der Gesellschaft geführt haben.[9] Es stellt sich allerdings EU-rechtlich die Frage, ob eine (unterstellte) Gewinnverlagerung ins Ausland anders als eine solche ins Inland besteue...

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