Rz. 1676

[Autor/Stand] Rechtsprechung des BFH. Nach der Rspr. des BFH darf eine verbundene Vertriebsgesellschaft keine Produkte mit nachhaltigen Verlusten vertreiben. Die Verlustphase soll dabei – abgesehen von besonderen Umständen des Einzelfalls – bei neu eingeführten Produkten drei Jahre nicht überschreiten.[2] Der BFH begründet dies mit der Feststellung, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer eines Vertriebsunternehmens nur dann ein neues Produkt am Markt einführen und vertreiben werde, wenn er daraus bei vorsichtiger und vorheriger kaufmännischer Prognose innerhalb eines überschaubaren Zeitraums und unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Marktentwicklung einen angemessenen Gesamtgewinn erwarten könne. Damit soll – unter Berücksichtigung des hypothetischen Fremdvergleichs – eine Vertriebsgesellschaft spätestens "innerhalb eines angemessenen kalkulatorischen Zeitraums" einen "angemessenen Totalgewinn" erzielen.[3] Als entsprechender Zeitraum wird dabei in der Literatur eine Periode von fünf Jahren genannt.[4] Damit geht der BFH inzidenter davon aus, dass für den Fall, in dem beim Vertreiber die Kosten einschließlich Markterschließungskosten die Erlöse übersteigen, der Produzent bzw. der Lieferant durch reduzierte Lieferverrechnungspreise oder Zuschüsse (Markterschließungs- bzw. Werbekostenzuschüsse) die Verlustsituation beseitigt bzw. überkompensiert. Außerdem und unabhängig davon hat nach Auffassung des BFH die Vertriebsgesellschaft die Markterschließungskosten dann nicht zu übernehmen, wenn die Kosten branchenüblich vom Hersteller oder Lieferanten getragen werden.[5] Dies ist zB dann der Fall, wenn die Markterschließungsmaßnahmen im alleinigen oder ganz überwiegend im betrieblichen Interesse des Produzenten liegen bzw. ein Markeninhaber Interesse am Aufbau seiner Marke in einem bestimmten Markt hat.

 

Rz. 1677

[Autor/Stand] Akzeptable Verlustperiode. Die VWG 1983 sprechen im Hinblick auf eine akzeptable Verlustperiode einer Vertriebsgesellschaft in Folge von Markterschließungsmaßnahmen von einer "überschaubaren Zeit "[7] und vermeiden damit eine konkrete Zeitangabe. Dies ist insofern sachgerecht, als je nach Branche (zB Investitions- vs. Konsumgüter), Produktlebenszyklus (kurzlebig vs. langlebig) oder der Marktstellung des Produzenten und des Vertreibers unterschiedlich lange Markteinführungsphasen zum Tragen kommen können. Eine generelle Normierung macht insoweit betriebswirtschaftlich keinen Sinn und entbehrt zudem jeglicher Rechtsgrundlage.[8] Demgegenüber hat der BFH in seinem "Aquavit"-Urteil v. 17.2.1993[9] judiziert, dass die "Verlustphase der Anlaufzeit [...] – abgesehen von besonderen Umständen im Einzelfall – einen Zeitraum von drei Jahren nicht übersteigen" sollte. Eine solche zeitliche Limitierung, die sowohl die VWG 1983 als auch die OECD-Leitlinien bewusst vermeiden, ist zu Recht in der Literatur kritisiert worden, da sie zu schematisch und letztlich willkürlich ist und je nach Marktsituation die erforderliche Flexibilität vermissen lässt.[10] Die akzeptable Verlustperiode einer Vertriebsgesellschaft sollte damit keinen starren zeitlichen Beschränkungen unterworfen werden, die den wirtschaftlichen Realitäten und Notwendigkeiten zuwider laufen, sondern auf die geschäftlichen Beziehungen zur Vertriebsgesellschaft insgesamt abstellen, um die Frage eines "angemessenen Zeitrahmens" einzelfallbezogen entscheiden zu können. Vor diesem Hintergrund ist die Relativierung der Drei-Jahres-Frist des Aquavit-Urteils durch das BFH-Urteil v. 17.10.2001[11] zu begrüßen.[12] In diesem Urteil hat der BFH klargestellt, dass er die Drei-Jahres-Frist nicht als Dauer versteht, innerhalb derer die Vertriebsgesellschaft betriebswirtschaftlich gesehen längstens Verluste erzielen kann. Vielmehr versteht er eine Verlusterzielung über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren als einen so ungewöhnlichen Vorgang, dass es Sache des Stpfl. ist, darzulegen, weshalb in seinem konkreten Fall die Verlusterzielung über drei Jahre hinaus noch auf einem ordentlichen und gewissenhaften kaufmännischen Verhalten beruht. Der Stpfl. kann in diesem Bereich zB auf außerordentliche Entwicklungen und nicht vorhergesehene Risiken verweisen. Ist sein Vortrag schlüssig und glaubhaft, so kann die Verlustphase verlängert werden. Kriterium kann auch sein, ob der Stpfl. mit Anpassungsmaßnahmen zeitnah auf nicht vorhergesehene Entwicklungen reagiert hat. Damit löst die Drei-Jahres-Frist nur eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast aus. Der Fremdvergleich hat nur eine widerlegbare Vermutung zur Folge.

 

Rz. 1678

[Autor/Stand] Ex-ante-Rentabilitätsberechnung. Sowohl der BFH[14] als auch die Finanzverwaltung[15] erwarten für den Fall der Übernahme von Markterschließungskosten durch die Vertriebsgesellschaft eine Ex-ante-Rentabilitätsberechnung. Daraus soll hervorgehen, dass bei der Vertriebsgesellschaft ggf. nach dreijährigen bzw. zeitlich überschaubaren Anlaufverlusten eine Gewinnphase eintritt, die es ihr erlaubt, in der Totalpe...

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