Rz. 2295

[Autor/Stand] Eine Einkünftekorrektur nach § 1 ist darüber hinaus – im Abkommensfall – an der Art. 9 OECD-MA nachgebildeten Vorschrift zu messen. Die Sperrwirkung der Vorschrift folgt bereits aus ihrem Wortlaut, nach der die Vertragsstaaten Einkünftekorrekturen nur in den Schranken des Fremdvergleichsgrundsatzes vornehmen "dürfen".[2] Demnach erlaubt Art. 9 Abs. 1 OECD-MA ausschließlich die Korrektur von Beträgen, die durch einen fremdunüblichen (zu hohen oder zu niedrigen) Darlehenszins bewirkt werden. Eine Einkünftekorrektur auf Basis der Negierung oder Umqualifikation der tatsächlichen Geschäftsbeziehungen ist unter Art. 9 Abs. 1 OECD-MA unzulässig. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA lässt es nicht zu, die tatsächliche Geschäftsbeziehung (bspw. ein unbesichertes Darlehen) mit einem fiktiv fremdüblichen Szenario (bspw. ein besichertes Darlehen) zu vergleichen und aus diesem Vergleich der steuerlichen Konsequenzen (bspw. Notwendigkeit vs. fehlende Notwendigkeit zur Vornahme einer Teilwertabschreibung) die Notwendigkeit einer Gewinnkorrektur anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes abzuleiten. Stattdessen ist im Rahmen von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA für die tatsächliche Geschäftsbeziehung der Zinssatz zugrunde zu legen, den auch fremde Dritte für das unbesicherte Darlehen vereinbart hätten.

 

Rz. 2296

[Autor/Stand] Die Darlehenskonditionen bilden damit nur die Grundlage für die Überprüfung der Verrechnungspreise der Höhe nach. Die Bedingungen selbst sind nicht korrekturfähig. Im Vergleich zu § 1 Abs. 1 ist der Wirkungsbereich von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA somit deutlich enger gefasst. Dies führt dazu, dass auf § 1 Abs. 1 gestützte Berichtigungen von Teilwertabschreibungen bei Gesellschafterdarlehen nicht von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gedeckt sind, weil diese an vertragliche Einzelbedingungen – bspw. die fehlende Besicherung der Darlehensforderungen – anknüpfen. Diese Auffassung wird auch vom BFH in nunmehr ständiger Rspr. bestätigt.[4] Allerdings will die Finanzverwaltung die Rspr. des BFH über die entschiedenen Einzelfälle hinaus nicht anwenden, wobei die im BMF-Schreiben v. 30.3.2016 genannten Argumente nicht überzeugen:[5]

 

Rz. 2297

[Autor/Stand] Keine Beschränkung auf Preisberichtigung des Art. 9 OECD-MA. Die Art. 9 OECD-MA nachgebildete Norm hat nach Auffassung der Finanzverwaltung Gewinnberichtigungen zum Gegenstand und kann sich deshalb – entgegen der ausdrücklichen Auffassung des BFH[7] – nicht auf reine Preisberichtigungen beschränken. Dabei verkennt die Finanzverwaltung, dass Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nach h.M. nur Verrechnungspreiskorrekturen im Hinblick auf die Angemessenheit der vereinbarten Bedingungen "der Höhe nach" zulässt.[8] Denn unbestritten sind im Rahmen der internationalen Gewinnabgrenzung gem. Art. 9 OECD-MA die zwischen verbundenen Unternehmen vereinbarten tatsächlichen Geschäftsbeziehungen anzuerkennen.[9] Infolgedessen ist eine Korrektur der Finanzverwaltung, die auf einer Negierung oder Umqualifikation der tatsächlich von den Stpfl. vereinbarten Geschäftsbeziehungen und der diesen zugrunde liegenden Bedingungen aufbaut, unter Art. 9 OECD-MA unzulässig.

 

Rz. 2298

[Autor/Stand] Historische Auslegung des § 1. Nach einer historischen Auslegung des § 1 sei dieser mit dem Ziel eingeführt worden, den in Art. 9 OECD-MA enthaltenen Fremdvergleichsgrundsatz in nationales Recht zu überführen. Die Finanzverwaltung zieht hieraus den Schluss, dass schon allein aufgrund des mit der Einführung des § 1 durch den Gesetzgeber verfolgten Ziels eine Deckungsgleichheit mit Art. 9 OECD-MA besteht und deshalb eine Korrektur durch § 1 von Art. 9 OECD-MA gedeckt ist. Der Finanzverwaltung ist insoweit zuzustimmen, als § 1 mit dem Ziel der Transformation von Art. 9 OECD-MA und dem dort verankerten Fremdvergleichsgrundsatz in innerstaatliches Recht eingeführt wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass beide Normen deshalb automatisch die Korrektur von auf Gesellschafterforderungen vorgenommenen Wertberichtigungen erlauben. Denn auch die Finanzverwaltung hat sich in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit stets auf § 8b Abs. 3 KStG a.F. und gerade nicht auf § 1 berufen. Erst nachdem der BFH diese These in ständiger Rspr. widerlegt hat (Anm. 2252 ff.), hat die Finanzverwaltung im Rahmen des BMF-Schreibens v. 29.3.2011[11] den Fremdvergleichsgrundsatz innerstaatlich in der Weise modifiziert, dass solche Einkünfteberichtigungen fortan auf Grundlage von § 1 vorzunehmen seien. Die Auffassung der Finanzverwaltung kann indessen nicht in der Weise auf Art. 9 OECD-MA abfärben, als nunmehr dieser auch i.S. der deutschen Finanzverwaltung auszulegen ist. Vielmehr ist die im BMF-Schreiben v. 29.3.2011[12] zum Ausdruck gebrachte Auffassung der Finanzverwaltung die Ursache für den Konflikt zwischen § 1 einerseits und Art. 9 OECD-MA anderseits, der vom BFH zutreffend im Sinne einer abkommensrechtlichen Sperrwirkung von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gelöst wurde.[13]

 

Rz. 2299

[Autor/Stand] § 1 als sog. "Treaty Override". § 1 soll seinem Wortlaut nach "unbeschadet and...

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