Rz. 582

[Autor/Stand] Unternehmerische Dispositionsfreiheit. Die Analyse produktionsbezogener Funktionen ist im Hinblick auf die Abgrenzung von sog. Eigenfertigern und Auftrags- bzw. Lohnfertigern besonders relevant. Die Frage, wie eine Produktionsfunktion konzernintern organisiert ist und welche Unternehmen in Produktionstätigkeiten involviert sind, ist zunächst eine Frage der unternehmerischen Dispositionsfreiheit.[2] Die Auslagerung von Produktionsfunktionen tritt in aller Regel bei Unternehmen mit einer größeren Produktionstiefe in Erscheinung, wo mehrere, mitunter technisch anspruchsvolle Komponenten durch spezialisierte Zulieferungen endgefertigt werden. Jedoch können auch Lohnkostenvorteile bei verhältnismäßig einfachen Produktionstätigkeiten zu einem Einschalten von Auftrags- bzw. Lohnfertigungsunternehmen führen (bspw. in der Bekleidungsherstellung).

 

Rz. 583

[Autor/Stand] Produktionstypen. Die Unterscheidung bestimmter Produktionstypen ist für die Auswahl der geeigneten Verrechnungspreismethode entscheidend. So werden Lohnfertigungstätigkeiten – nach Auffassung der Finanzverwaltung – regelmäßig auf Basis der Kostenaufschlagsmethode vergütet (Anm. 722).[4] Sog. Eigenfertiger (Fully-fledged Producer) kennzeichnen sich regelmäßig dadurch, dass sämtliche mit der Vorbereitung, der eigentlichen Durchführung und der Nachbereitung der Produktionstätigkeit verbundene Aktivitäten und Entscheidungskompetenzen (Beschaffung der Rohstoffe, eigentliche Produktion, Qualitätssicherung, Verpackung, Transport, Lagerhaltung etc.) durch das Unternehmen auf eigene Rechnung, durch den Einsatz eigener (ggf. auch lizenzierter) Wirtschaftsgüter und auf eigenes Kostenrisiko wahrgenommen werden. Der Lohnfertiger (Toll-Manufacturer) hingegen ist durch eine geringere Funktions- und auch Risikotiefe gekennzeichnet. Seine Tätigkeiten beschränken sich auf die bloße Erbringung einer Produktionsdienstleistung an beigestellten Rohstoffen oder Vorprodukten, ohne dass er die mit der Produktion verknüpften wirtschaftlichen Risiken tragen müsste (Rohstoffbeschaffungsrisiko, Leerkostenrisiko, Absatzrisiko, allgemeines Marktrisiko etc.). Der Auftragsfertiger (Contract-Manufacturer) hat hingegen gegenüber dem Lohnfertiger ein angereichertes Funktions- und Risikoprofil. Auch er erbringt letztlich eine reine Dienstleistung in Gestalt der Ausübung einer Produktionstätigkeit, gleichwohl beschafft er die Rohstoffe der zu bearbeitenden Vorprodukte selbst, erhält hierfür im Gegenzug aber Abnahmegarantien durch seinen Auftraggeber nach Vollendung der Fertigungstätigkeiten. Mitunter erbringen Auftragsfertiger auch Forschungs- und Entwicklungsleistungen zur Produkt- oder Fertigungsverfahrensoptimierung.[5] Eine verbindliche Definition der Begriffe "Eigenproduzent" sowie "Auftrags- bzw. Lohnfertiger" mit einer abschließenden Anzahl von Tatbestandsmerkmalen existiert jedoch nicht, sodass die Begriffe als "Typusbegriffe" einzustufen sind, die im übertragenen Sinne als "Anschauungsbilder" fungieren, denen mithin Sachverhalte und Erscheinungsformen als "entsprechend" oder "sinnähnlich" zugeordnet werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Begriff des Eigenproduzenten oder des Lohn- bzw. Auftragsfertigers nicht von dem Vorhandensein bestimmter, abschließender Tatbestandsmerkmale abhängig ist. Gleichwohl ist das Vorhandensein bestimmter zentraler Funktionen und Risiken (bspw. das Absatzrisiko) für die Kategorisierung als Eigen- oder Lohn- bzw. Auftragsfertiger von ausschlaggebender Bedeutung.

[Autor/Stand] Autor: Puls, Stand: 01.11.2015
[2] Siehe Tz. 9.163 OECD-Leitlinien 2010; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774 – Tz. 145 – VWG Funktionsverlagerung; vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 251 ff.
[Autor/Stand] Autor: Puls, Stand: 01.11.2015
[4] BMF v. 23.2.1983 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 1983, 218 – Tz. 3.1.3 – VWG; vgl. Anhang 2 Verwaltungsanweisungen S. V 5 ff.
[5] Vgl. Baumhoff in Kleineidam, FS Fischer, S. 491; Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 326.

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