Rz. 2703

[Autor/Stand] Anknüpfung der Gewinnberechtigung an die DEMPE-Funktionen und -Risiken. § 1 Abs. 3c Satz 4 setzt das DEMPE-Konzept der OECD (Rz. 2704) in deutsches Steuerrecht um. Die Vorschrift nennt zunächst die sog. DEMPE-Funktionen (Entwicklung/Erschaffung, Verbesserung, Erhalt, Schutz und Verwertung) und stellt fest, dass diese – soweit nicht vom Eigentümer ausgeübt – von diesem "angemessen" zu vergüten seien.[2] Es ist daher eine auf den jeweiligen immateriellen Wert bezogene Funktions- und Risikoanalyse durchzuführen, um festzustellen, welche wirtschaftlichen Wertschöpfungsbeiträge die beteiligten verbundenen Unternehmen leisten bzw. geleistet haben (Rz. 2708 ff.). Die VWG VP 2023 sowie die Gesetzesbegründung konkretisieren diese wie folgt: Es sei zu prüfen, welche verbundenen Unternehmen

  • in Bezug auf die fünf DEMPE-Bereiche die maßgeblichen (Personal-)Funktionen ausüben und kontrollieren (Rz. 2708 f.),
  • die personellen und finanziellen Kapazitäten zur Übernahme und Kontrolle der damit verbundenen Risiken haben (Rz. 2711) und
  • in welchem Umfang sie wertvolle immaterielle Werte einsetzen (Rz. 2710).[3]

Das hierzu erforderliche Personal sowie die notwendigen finanziellen Kapazitäten stehen dabei im Mittelpunkt der Zuordnung, sodass diese letztlich im Wesentlichen anhand der Mitarbeiter, die die relevanten Funktionen ausüben und die jeweiligen Risiken steuern, und dem Kapital entsprechend erfolgt (Rz. 2706).[4]

Die Voraussetzungen der Ausübung von DEMPE-Funktionen, der Übernahme von Risiken und des Einsatzes von Vermögenswerten müssen hierbei kumulativ vorliegen; die Konjunktion "oder" in der Ursprungsfassung des AbzStEntModG v. 2.6.2021 ist bereits mit dem ATADUmsG v. 25.6.2021 durch die Konjunktion "und" ersetzt worden, was die Zielsetzung des Gesetzgebers deutlich macht.[5] Im Ergebnis bedeutet dies insbesondere, dass die Zuordnung von Risiken (Rz. 2711) notwendige Tatbestandsvoraussetzung einer Zuordnung von Erträgen gem. § 1 Abs. 3c Abs. 4 ist.

 

Rz. 2704

[Autor/Stand] Entwicklung im Rahmen des OECD-BEPS-Projekts. Ein essentieller Teil des Abschlussberichts zu Aktionspunkt 8 des BEPS-Projekts entfällt auf das Kapitel, das sich mit der Zurechnung immaterieller Wirtschaftsgüter und dem durch sie verursachten Einkommen beschäftigt. Ausgelöst durch Steuerplanungen im Zusammenhang mit immateriellen Werten in der Vergangenheit wurde im Rahmen des Aktionspunkts 8[7] das sog. DEMPE-Konzept entwickelt. DEMPE ist das Akronym für: Development, Enhancement, Maintenance, Protection, Exploitation, also für Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung, Schutz und Verwertung des immateriellen Werts. Kern dieses Konzepts, das sich auch in den OECD-Leitlinien 2022 wiederfindet[8], ist ein "Substance-over-Form-Ansatz", nach welchem die Zuordnung von Erträgen aus der Verwertung immaterieller Werte zu den individuellen Wertschöpfungsbeiträgen in Bezug auf Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung, Schutz und Verwertung, mithin vorwiegend nach wirtschaftlichen Kriterien, erfolgen soll.[9] Hierzu soll erstmals auch die Kenntnis des tatsächlichen Verhaltens der Parteien bedeutsam sein, um etwaige Widersprüche zu identifizieren und Lücken in den vertraglichen Vereinbarungen zu füllen. Ausweislich der aktualisierten OECD-Leitlinien 2022 sollen die rechtlichen und vertraglichen Gegebenheiten, sprich die Eigentumsverhältnisse, im Rahmen der Beurteilung einer Transaktion somit künftig nur noch den Ausgangspunkt der Verrechnungspreisanalyse bilden (Rz. 2701 ff.).[10] Dies ist eine wesentliche Abkehr von den bis dato geltenden Prinzipien.[11] Denn bislang waren rechtliche Vereinbarungen zwischen verbundenen Unternehmen grundsätzlich zu respektieren.[12] Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen war eine von der zivilrechtlichen Situation abweichende Zuordnung möglich.[13] Die bisherige Sichtweise ähnelte insofern der im nationalen Recht verankerten Missbrauchsdoktrin des § 42 AO, der zufolge die vom Stpfl. gestaltete Situation in den Grenzen eines steuerlichen Missbrauchs anzuerkennen ist.[14] Im Unterschied hierzu ist nunmehr jedoch entscheidend, ob die vertraglichen Regelungen zwischen den Konzerngesellschaften betreffend immaterielle Werte konsistent zu den wirtschaftlichen Wertschöpfungsbeiträgen der an der Entwicklung und Verwertung eines immateriellen Werts beteiligten Konzerngesellschaften sind.[15] Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einer Recharakterisierung der Transaktion und einer abweichenden Zuordnung. Anhand des DEMPE-Konzepts soll dabei insbesondere festgestellt werden, wer das Risiko einer Transaktion trägt. Dies soll nur dann der rechtliche Eigentümer sein, wenn das entsprechende Parteiverhalten auch mit der vertraglichen Regelung übereinstimmt.[16] Hierin liegt ein Paradigmenwechsel, der in der Praxis zu erheblichen Problemen führen kann, weil der Streit über die richtige Zuordnung von Eigentum und Einkommen vorprogrammiert ist.

 

Rz. 2705

[Autor/Stand] Funktionales Eigentum. Ergeben sich Diskrepanzen zwischen vertraglicher und...

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