Rz. 2801

[Autor/Stand] Ausdehnung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstättensachverhalte. § 1 Abs. 5 wurde mit dem AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013[2] eingefügt und ist gem. § 21 Abs. 20 Satz 3 erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2012 beginnen (Anm. 2806, 2810). Mit dieser Ergänzung wurde der Anwendungsbereich des § 1 auf Betriebsstättensachverhalte, d.h. die Gewinnabgrenzung zwischen verschiedenen Betriebsstätten desselben Unternehmens, ausgedehnt. Zielsetzung der Neuregelung der Betriebsstättengewinnermittlung war insbesondere, die Gewinnabgrenzung bzw. Gewinnverteilung für grenzüberschreitende Sachverhalte einheitlich und unabhängig davon zu regeln, ob die grenzüberschreitende Investition in Form einer Kapitalgesellschaft, einer Personengesellschaft oder einer Betriebsstätte erfolgt.[3] Ausweislich der Regierungsbegründung zum JStG 2013 soll die Neufassung die betriebsstättenbezogene Gewinnabgrenzung und -ermittlung nun "klar" regeln.[4] Ergänzt wird die Neuregelung durch die Betriebsstättengewinnaufteilungverordnung (BsGaV) v. 13.10.2014[5] (Anm. 2803, 2921 ff.).

Die Einfügung von § 1 Abs. 5 n.F. hat eine völlige Neuausrichtung der betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung/-abgrenzung zur Folge. Konkrete gesetzliche Vorschriften zur Gewinnabgrenzung zwischen verschiedenen Teilen eines rechtlich einheitlichen Unternehmens bestanden bis zur Einführung von § 1 Abs. 5 nur in geringem Umfang. Die Rspr. hat diese Lücke durch das sog. Veranlassungsprinzip (Anm. 2807) geschlossen. Gesetzliche Regelungen zur Betriebsstättengewinnabgrenzung betrafen insbesondere die sog. steuerliche Entstrickung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG, § 12 Abs. 1 KStG bei Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten des Unternehmens.

Nach der Grundvorstellung des § 1 Abs. 5 n.F. sind Betriebsstätten hinsichtlich der Abgrenzung der Gewinne wie rechtlich eigenständige und unabhängige Unternehmen zu behandeln (§ 1 Abs. 5 Satz 2, Anm. 2881 f.). Da in zivilrechtlicher Hinsicht allerdings sämtliche Wirtschaftsgüter, Schulden, Vertragsverhältnisse usw. ausschließlich dem (einheitlichen) Unternehmen zuzuordnen sind, erfordert die Fiktion der Betriebsstätten als eigenständige und unabhängige Unternehmen zunächst die Zuordnung der Wirtschaftsgüter, Schulden, Vertragsverhältnisse usw. zu den jeweiligen Betriebsstätten des Unternehmens (Anm. 2884, 3011 ff.) und die Identifizierung der damit verbundenen fiktiven schuldrechtlichen Beziehungen (Anm. 3321 ff.). Dies ist Voraussetzung für die in einem weiteren Schritt vorzunehmende Angemessenheitskontrolle der fiktiven Vergütungen.

 

Rz. 2802

[Autor/Stand] Umsetzung des Authorised OECD Approach (AOA). Mit der Einfügung des § 1 Abs. 5 n.F. setzt der deutsche Gesetzgeber den sog. Authorised OECD Approach (AOA) in deutsches Recht um. Der AOA enthält eine weitgehende Selbständigkeitsfiktion von Betriebsstätten (Funcionally Separate Entity Approach) und wurde erstmals mit dem Betriebsstättenbericht der OECD v. 17.7.2008 veröffentlicht.[7] Mit dem OECD-MA 2010 wurde der AOA erstmals in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA übernommen (Anm. 2815).

Die Umsetzung in deutsches Recht sollte ursprünglich bereits mit dem JStG 2013 erfolgen, in dem eine entsprechende Erweiterung des § 1 vorgesehen war.[8] Das JStG 2013 scheiterte jedoch im Gesetzgebungsverfahren, nachdem der Bundestag den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses[9] am 17.1.2013 ablehnte. Wesentliche Teile des JStG 2013, einschließlich der § 1 betreffenden Änderungen, wurden jedoch nach einem im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromiss[10] in das AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013[11] überführt und konnten daher dennoch in Kraft gesetzt werden.[12]

Die Umsetzung des AOA in deutsches Recht erfolgt zunächst allgemein in § 1 Abs. 5 Satz 2, wonach eine Betriebsstätte "zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes [...] wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln" ist (Anm. 2881 f.). Darüber hinaus regelt § 1 Abs. 5 Satz 3 ff. die konkrete Ausgestaltung der Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion im Einzelnen (Anm. 2884). Hier ist ein mehrstufiges Verfahren vorgesehen, in dem der Betriebsstätte auf der Grundlage einer Funktions- und Risikoanalyse zunächst die Personalfunktionen, Vermögenswerte, Chancen und Risiken sowie ein angemessenes Dotationskapital zuzuordnen (Anm. 2884) und anschließend die zwischen den Betriebsstätten bestehenden anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zu identifizieren sind (Anm. 2748 ff., 2885), die schließlich Gegenstand der Angemessenheitsüberprüfung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 sind. Da das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung allgemeine Tatbestandsvoraussetzung einer Korrektur der betriebsstättenbezogenen Gewinnabgrenzung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 ist, erforderte die Umsetzung des AOA in innerstaatliches Recht auch eine entsprechende Erweiterung des Begriffs der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 4 (Anm. 2748 ff.).

 

Rz. 2803

[Autor/Stand] Betriebsstättengewin...

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