Rz. 63

[Autor/Stand] Umsetzung von Aktionspunkt 6. § 50d Abs. 3 EStG soll ausweislich der Gesetzesbegründung[2] den Mindeststandart des Aktionspunkts 6[3] des BEPS-Aktionsplans der OECD/G20[4] umsetzen, wie er bereits in Art. 6 und 7 MLI sowie Art. 29 OECD-MA 2017 umgesetzt wurde. Aktionspunkt 6 knüpft an die bereits früher entstandenen Arbeiten im sog. Conduit-Companies-Report (1986), den Ausführungen zum Begriff des Nutzungsberechtigten (vgl. Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1 OECD-MA 2017) sowie den im OECD-MK enthaltenen Ausführungen zum Abkommensmissbrauch (Rz. 54 ff. OECD-MK 2017 zu Art. 1) an. Mit Aktionspunkt 6 werden Maßnahmen vorgeschlagen, die die Gewährung von Abkommensvorteilen in "unangemessenen Fällen" ausschließen sollen, insbesondere in sog. Treaty-Shopping-Fällen. Für das Vorgehen gegen Treaty-Shopping-Gestaltungen schlägt der Aktionspunkt 6 eine "Drei-Punkte-Strategie" für die Anpassung bestehender DBA vor:

  1. Einfügung einer Erklärung, dass die Vertragstaaten die Steuerumgehung, insbesondere Treaty Shopping, zu vermeiden beabsichtigen (vgl. Art. 6 MLI).
  2. Einfügung einer besonderen Missbrauchsvermeidungsklausel in Form einer LoB-Klausel nach dem Vorbild des Art. 28 DBA-USA (vgl. Art. 7 Abs. 8 bis 13 MLI, Art. 29 Abs. 1 bis 8 OECD-MA 2017).
  3. Einfügung einer allgemeinen Missbrauchsvermeidungsvorschrift in Form eines sog. Principal Purpose Test (PPT) zur Erfassung sonstiger Treaty-Shopping-Gestaltungen, wie etwa bestimmte Durchlauffinanzierungsstrukturen (vgl. Art. 7 Abs. 1 MLI, Art. 29 Abs. 9 OECD-MA 2017)

Die OECD/G20-Staaten haben sich darauf verständigt, den im Aktionspunkt 6 definierten Mindeststandart umzusetzen, indem sie in ihre DBA entweder (i) eine Kombination aus LoB- und PPT-Klausel, (ii) nur die PPT-Klausel oder (iii) die LoB-Klausel, ergänzt um einen Mechanismus zur Berücksichtigung von bislang durch ihre Doppelbesteuerungsabkommen nicht abgedeckten Durchlauffinanzierungsgestaltungen, aufnehmen.[5] Im Rahmen des MLI hat sich Deutschland für den Weg (ii) entschieden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht ganz verständlich, warum gerade auch noch § 50d Abs. 3 EStG zusätzlich (überflüssigerweise) den Mindeststandard des Aktionspunkts 6 umsetzen soll. Es mag vielleicht den Schein einer gewissen Rechtfertigung (insbesondere auch vor dem Unionsrecht) hervorrufen, wenn man sich auf den BEPS-Aktionsbericht der OECD beruft. Deutlich bezeichnender ist aber, wenn es in der Gesetzesbegründung heißt: „[D]er Mindeststandard nach Aktionspunkt 6 des BEPS-Aktionsplans der OECD und G20 [erfordert] für die Anwendung von DBA, die keine auf einem sog. Hauptzweck- Kriterium basierende allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschrift enthalten, dass eine spezifische Missbrauchsvermeidungsvorschrift zur Bekämpfung von Durchlauffinanzierungsstrukturen entweder im nationalen Steuerrecht oder im DBA selbst anwendbar sein muss. Die Neufassung des § 50d Absatz 3 erfüllt die Anforderungen des Mindeststandards an diese Vorschrift.” Diese Ausführungen sind widersprüchlich und treffen vor dem Hintergrund des Abschlussberichts zu Aktionspunkt 6 nicht zu: Zum einen soll gerade eine allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschrift in Form eines PPT ("Hauptzweck-Kriterium") sog. Durchlauffinanzierungsstrukturen erfassen, nicht hingegen eine spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschrift (LoB-Klausel).[6] Ferner würde der damit offenbar angesprochene Weg (iii) – hätte Deutschland diesen Weg gewählt, was aber nicht passiert ist – erfordern, dass im DBA eine LoB-Klausel enthalten ist, die Deutschland aber in eigener Abkommenspraxis und im Rahmen der MLI-Umsetzung gerade nicht umsetzt. Gleichwohl muss man zur Kenntnis nehmen, dass der Gesetzgeber zumindest den Willen hatte, die Ergebnisse des Aktionspunkts 6 umzusetzen und dabei insbesondere sog. Durchlauffinanzierungsgesellschaften mit § 50d Abs. 3 EStG bekämpfen wollte. Ferner wird man bei näherer Betrachtung feststellen, dass § 50d Abs. 3 EStG auch – aber nur rudimentär umgesetzt – den zweistufigen Ansatz des Aktionspunkts 6 widerspiegelt: § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG enthält eine Art LoB-Klausel, deren Anwendung durch eine PPT-Klausel in Satz 2 eingeschränkt wird. Im Gegensatz zum Ansatz der OECD wirkt die PPT-Klausel des Satzes 2 gesetzeskonzeptionell aber nicht ergänzend für die Fälle, die nicht von der LoB-Klausel erfasst werden. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber wohl (geplant oder zufällig) in § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG angeordnet, dass § 42 AO, der im Lichte des Art. 6 ATAD (der wiederum auf Aktionspunkt 6 beruht) als PPT auszulegen ist, ergänzend anwendbar bleibt. Dieser Verweis läuft aber nach hier vertretener Ansicht zum Teil leer (vgl. Rz. 594 ff.).

 

Rz. 64

[Autor/Stand] Folgen für die Auslegung. Der artikulierte Wille des Gesetzgebers, Aktionspunkt 6 des BEPS-Aktionsplans durch § 50d Abs. 3 EStG umzusetzen, ist im Rahmen der (historischen) Auslegung zu berücksichtigen. Dabei wird man zum einen berücksichtigen müssen, dass sich in § 50d Abs. 3 EStG verschied...

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