Rz. 1666

[Autor/Stand] Überblick. Die Erschließung, Ausweitungen und Verteidigungen von Absatzmärkten kann eine vorübergehende Verrechnungspreispolitik erforderlich machen, die sich von derjenigen bei "normalen" Marktverhältnissen wesentlich unterscheidet. Solche "besonderen Wettbewerbssituationen "[2] werden grundsätzlich auch von der deutschen Finanzverwaltung anerkannt. Neben der Frage der Ermittlung angemessener Verrechnungspreise stellt sich im Rahmen der Markteinführung, Marktausweitung und Marktverteidigung insb. die Frage, durch welches verbundene Unternehmen (Produktions- oder Vertriebsgesellschaft) die im Zusammenhang mit diesen besonderen "Geschäftsstrategien"[3] entstehenden Kosten zu tragen oder ob diese aufzuteilen sind. Die Finanzverwaltung widmet diesem Themenbereich in den VWG 1983 eigene Abschnitte "Kosten der Werbung"[4], "Kosten der Markterschließung"[5] und "Anlaufkosten"[6], die in der Verrechnungspreispraxis von erheblicher Bedeutung sind. Bereits die Stellung dieser Regelungen der Finanzverwaltung in Tz. 3 VWG 1983 ("Warenlieferungen und Dienstleistungen")[7] macht deutlich, dass sie nicht nur im Verhältnis zwischen Produktions- und Vertriebsunternehmen anzuwenden sind, sondern auch bei Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Der Begriff "Produkt" in Tz. 3.4.1 VWG 1983 ist daher weit auszulegen.[8]

 

Rz. 1667

[Autor/Stand] Anlaufkosten. Tz. 3.5 VWG 1983[10] behandelt die Berücksichtigung von sog. "Anlaufkosten". Anlaufkosten entstehen, wenn eine Gesellschaft neu gegründet oder eine bestehende Gesellschaft erweitert oder wesentlich umorganisiert wird. Es handelt sich dabei um die typischen Kosten einer Vertriebsgesellschaft, die durch Aufbau ihrer Vertriebstätigkeit verursacht werden (zB Aufbau eines Vertriebsaußendienstes, einer Auftragsabwicklung, eines Lagers, eines EDV-Systems, einer Verwaltung). Wird eine bestehende Gesellschaft erweitert oder umorganisiert, sind unter Anlaufkosten interne und externe Reorganisations- und Beratungskosten zu verstehen, wobei auch Sozialplankosten und Kosten für Unternehmensberater von den Anlaufkosten erfasst werden. Die Anlaufkosten sind grundsätzlich Betriebsausgaben der Vertriebsgesellschaft, die aus ihrer Handelsspanne (verstanden als Rohgewinnmarge) zu decken sind. So vertritt auch die Finanzverwaltung die Auffassung, dass Anlaufkosten grundsätzlich von der neu gegründeten, erweiterten oder umorganisierten Gesellschaft zu tragen sind.[11]

 

Rz. 1668

[Autor/Stand] Kosten der Markterschließung. Bei den Kosten der Markterschließung handelt es sich um Kosten, die im Zusammenhang mit der Einführung von Produkten in einem bislang nicht bearbeiteten Markt oder im Zusammenhang mit der Einführung neuer Produkte in bereits bestehenden Märkten entstehen. Zu diesen Kosten zählen etwa Kosten des Aufbaus eines Vertriebsaußendienstes (auch entsprechende Personalkosten), Kosten für eine bestimmte Werbekampagne, um allgemeine Marketing- und Promotionkosten oder sonstige Kosten (zB Kosten für den Aufbau eines Showrooms). Diese Kosten sind – im Gegensatz zu Anlaufkosten (Anm. 1667) – nicht nur auf die Gründungsphase einer Gesellschaft beschränkt, sondern können jederzeit bei der Einführung neuer Produkte entstehen. Im Zusammenhang mit diesen Kosten stellt sich die Frage, ob sie auf Basis eines Fremdvergleichs nicht (ggf. teilweise) von der Produktionsgesellschaft zu tragen sind. Erhöhen sich zB auf Grund von Markterschließungsmaßnahmen einer Vertriebsgesellschaft

  • der Absatz einer Produktions- oder Zwischenhandelsgesellschaft, welche die Vertriebsgesellschaft beliefert,
  • die Lizenzeinnahmen einer Patent- bzw. Markenverwertungsgesellschaft oder
  • die Lizenzeinnahmen einer konzerninternen F&E-Gesellschaft,

so profitieren diese von den Markterschließungsnahmen der Vertriebsgesellschaft und sind folglich an den Markterschließungskosten der Vertriebsgesellschaft zu beteiligen. Dies gilt insb. für den Fall, in dem die Vertriebsgesellschaft auf Betreiben der o.g. Gesellschaften Markterschließungsmaßnahmen durchführt und daher die entsprechenden Kosten auch von diesen Unternehmen zu verantworten sind. Würden die entsprechenden Kosten nicht durch die ebenfalls profitierende, liefernde Konzerngesellschaft (ggf. teilweise) getragen werden, wären die erhöhten Markterschließungskosten durch eine höhere Handelsspanne der Vertriebsgesellschaft zu berücksichtigen. Letztlich würde damit die liefernde Konzerngesellschaft über verminderte Verrechnungspreise für Produktlieferungen an die Vertriebsgesellschaft die Markterschließungskosten tragen. Dieser Grundsatz wird durch das Urteil des FG Hessen v. 17.10.1988[13] bestätigt. Danach muss eine Vertriebsgesellschaft vom Hersteller eine Hochgewinnspanne zugebilligt bekommen, "die die üblichen anfallenden Kosten deckt und zumindest einen bescheidenen Gewinn ermöglicht".[14] Dieser Grundsatz wird auch durch die Rspr. des BFH zur Ermittlung von Verrechnungspreisen bei Vertriebsgesellschaften untermauert.[15]

 

Rz. 1669

[Autor/Stand] Kosten der Marktau...

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