Die Aufgaben der Steuerfahndung werden in § 208 AO geregelt. Zu ihnen zählen nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten, nach Nr. 2 die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in Nr. 1 bezeichneten Fällen sowie nach Nr. 3 die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO erfordert einen strafprozessualen Anfangsverdacht, also i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO, § 386 Abs. 1 S. 1 AO zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung einer Steuerstraftat.[34] Hieran fehlt es vorliegend.

Die Aufgabenzuweisung in § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO scheidet ebenfalls aus. Jenseits des Wortlauts ist für eine entsprechende Zuständigkeit erforderlich, dass angesichts konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung in Betracht kommt.[35] Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind hingegen unzulässig. An solchen Anhaltspunkten fehlt es im entschiedenen Fall ebenfalls.

Darüber hinaus ist zweierlei zu beachten: Der Steuerfall ist im vorliegenden Fall bereits nicht "unbekannt" i.S.d. § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO[36], der ferner nicht einschlägig ist, wenn der Anwendungsbereich des § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO betroffen ist, weil die Steuerfahndung dann nicht auf Basis eigener Initiative und originärer Zuständigkeit im strafprozessualen Zusammenhang handelt, sondern auf fremde Veranlassung zu Besteuerungszwecken.[37]

[34] Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 99 AO Rz. 19 (175. Lfg Mai/2023); Rüsken in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 208 Rz. 23; Jesse, DB 2013, 1803 (1805). Vgl. auch Schwindt/Blesius, DStR 2023, 1459 (1462) zu Abgrenzungsfragen bei der Wahrung strafprozessualer Rechte.
[35] So BFH, Beschl. v. 21.3.2002 – VII B 152/01, BStBl. II 2002, 495, vgl. auch Jesse, DB 2013, 1803 (1805). In seinem Beschl. v. 22.12.2006 – VII B 121/06, BStBl. II 2009, 839 bejahte der BFH ausnahmsweise eine Zuständigkeit der Steuerfahndung für Kontrollbesuche in Bordellbetrieben, vgl. hierzu kritisch und zur fehlenden Übertragbarkeit auf die Konstellation des Flankenschutzes: Beyer, NWB 2013, 1733 (1734) und Anders, DStR 2012, 1779 (1781).
[36] Tormöhlen in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 208 AO Rz. 154 (273. Lfg, April/2023).
[37] Vgl. Anders, DStR 2012, 1779 (1781); Hoyer/Scharenberg in Gosch, AO/FGO, § 208 AO Rz. 52 (175. Lfg, Mai/2023); Jesse, DB 2013, 1803 (1807); a.A. Roth, StBW 2013, 320 (321).

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