Rz. 26

Abweichend von der Grundregel des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht die Steuer bei aufschiebend bedingten, aufschiebend befristeten oder betagten Erwerben nicht schon mit dem Tod des Erblassers, sondern erst mit Eintritt der Bedingung oder des vergleichbaren Ereignisses. Dabei kann ein entsprechender Erwerbsgrund nach deutschem Erbrecht nur auf einer Vermächtnisanordnung beruhen. Denn eine Erbeinsetzung, deren Eintritt von einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung abhängt, stellt eine Nacherbfolge dar. Da das Vermögen mit dem Erbfall nicht subjektlos werden kann, sind zunächst die gesetzlichen Erben als Vorerben berufen.[1]

 

Rz. 27

Die aufschiebende Bedingung bzw. Befristung kann sich entweder auf den Erwerbsgrund selbst beziehen oder nur einzelne Erwerbsgegenstände betreffen. In beiden Konstellationen ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG einschlägig. Bezieht sich die aufschiebende Bedingung bzw. Befristung auf einen in den Nachlass fallenden Anspruch, bleibt dieses Forderungsrecht zunächst für die auf den Todestag durchzuführende Wertermittlung (§ 11 ErbStG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) außer Ansatz. Die Steuer für den zunächst unberücksichtigten Teil entsteht mit Eintritt der Bedingung bzw. des Ereignisses. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen eigenen Steuerfall.[2] Der dogmatische Unterschied zu einem Erwerb aufgrund bedingten, betagten oder befristeten Erwerbsgrundes besteht darin, dass letzterer einen eigenständigen Steuerfall bildet. Die für den Stpfl. ungünstige Folge besteht darin, dass eine Saldierung positiver und negativer Erwerbe wegen § 14 Abs. 1 S. 5 ErbStG bei selbstständigen Erwerbsvorgängen nicht möglich ist.[3] Das FG Münster[4] nimmt unter Bezugnahme auf diese BFH-Rechtsprechung auch dann 2 eigenständige Erwerbsvorgänge mit jeweils gesondert festzusetzender Erbschaftsteuer an, wenn der Alleinerbe zugleich aufschiebend bedingter Vermächtnisnehmer ist. Neben dem nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG maßgeblichen Todestag des Erblassers liege für den aufschiebend betagten Vermächtniserwerb ein Fall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG vor. Daraus ergab sich im konkreten Sachverhalt aufgrund der als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigenden Vermächtnisse ein negativer Wert des Nachlasses, der aber nicht mit dem positiven Vermächtniserwerb verrechnet werden konnte. Das Urteil stieß auf Kritik, da es dem gesetzgeberischen Ziel – der Besteuerung der durch den Erbfall vermittelten Bereicherung – widerspreche. Für die vom Finanzgericht zugelassene Revision war deshalb eine Präzisierung der bisherigen Rspr. erwartet worden.[5] Der BFH hat hierzu in der Sache letztlich nicht Stellung genommen, da die Revision bereits als unzulässig verworfen wurde.[6]

 

Rz. 28

Eine Bedingung ist die einem Rechtsgeschäft beigefügte Erklärung, durch welche die Wirkung des Rechtsgeschäftes von dem Eintritt eines künftigen, ungewissen Ereignisses abhängig gemacht wird. Man unterscheidet zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen. Bei der aufschiebenden Bedingung tritt die Rechtswirksamkeit des Geschäfts erst mit dem Eintritt der Bedingung ein. Bei der auflösenden Bedingung endet die Wirkung des Rechtsgeschäfts, wenn die Bedingung eintritt.

 

Rz. 29

Eine aufschiebende Befristung i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG liegt nach den auch für das ErbStR maßgeblichen Vorgaben des Zivilrechts dann vor, wenn der Eintritt eines künftigen Ereignisses, von dem die Rechtswirksamkeit des Geschäftes abhängt, gewiss ist, nicht dagegen der Zeitpunkt, zu dem es eintritt. So ist z. B. der Tod einer natürlichen Person ein mit Gewissheit eintretendes künftiges Ereignis, nur der Zeitpunkt des Todes ist nicht bekannt. Ist der Eintritt des künftigen Ereignisses selbst ungewiss, liegt eine Bedingung vor. Erbschaftsteuerrechtlich werden aufschiebende Bedingungen und aufschiebende Befristungen gleichbehandelt.

 

Rz. 30

Die Sonderbehandlung aufschiebender Bedingungen und Befristungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG ist im Zusammenhang mit §§ 4, 8 BewG zu sehen. Nach den genannten Vorschriften wird in Fällen des aufschiebend bedingten oder befristeten Erwerbs der Vorgang bewertungsrechtlich erst mit dem Eintritt des Ereignisses erfasst, von dem die Bedingung oder Befristung abhängt. Selbst wenn die Steuer bereits zum Zeitpunkt des Erbfalles entstünde, so könnte sie doch erst beim späteren Eintritt des Ereignisses berechnet werden, wäre dann aber auf die Verhältnisse beim Erbfall zurück zu beziehen. Insofern besteht der Zweck nicht zuletzt auch in einer Erleichterung für die FinVerw.[7] Demgegenüber ist der auflösend bedingte Erwerb nicht Gegenstand einer speziellen Regelung, weil hier die Steuer zunächst wie bei einem nicht bedingten Erwerb sofort entsteht, wobei die Bedingung bei der Bewertung gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 5 Abs. 1 BewG zunächst keine Rolle spielt und erst in Zukunft bei Bedingungseintritt gem. § 5 Abs. 2 BewG eine Korrektur erfolgen kann.

[1] Gottschalk, in T/G/J/G, ErbStG, § 9 Rz. 32 m. w....

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