2.1 Anwendungsbereich

 

Rz. 23

Wird die Zugewinngemeinschaft durch Tod eines Ehegatten beendet und erfolgt der Ausgleich des Zugewinns nicht güterrechtlich[1], ist zivilrechtlich keine Ausgleichsforderung zu ermitteln (Rz. 8). Dennoch muss der überlebende Ehegatte für steuerliche Zwecke eine fiktive güterrechtliche Ausgleichsforderung ermitteln, die er dann von seinem Erwerb wie einen zusätzlichen Freibetrag abziehen kann.[2]

 

Rz. 24

Erste und wichtigste allgemeine Voraussetzung für die Anwendung des § 5 Abs. 1 ErbStG ist, dass die Beendigung des Güterstands durch Tod eintritt. Der überlebende Ehegatte muss also Vermögen des verstorbenen Ehegatten ganz oder teilweise durch Erbanfall oder Vermächtnis erwerben. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus der Bezugnahme auf § 1371 Abs. 2 BGB. § 5 Abs. 1 ErbStG ist also unabhängig davon anwendbar, ob der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe oder durch Verfügung von Todes wegen bestimmter Erbe wird.

 

Rz. 25

Erhält der überlebende Ehegatte Vermögen aus anderen Rechtsgründen, ohne Erbe oder Vermächtnisnehmer geworden zu sein, z. B. aufgrund seines Pflichtteilsrechts oder aufgrund eines vertraglichen Erwerbs[3], ist keine fiktive Ausgleichsforderung zu ermitteln und ein Betrag nach § 5 Abs. 1 ErbStG kann nicht abgezogen werden. Dies gilt selbst dann, wenn er in diesem Fall den ihm nach § 1371 Abs. 2 BGB zustehenden güterrechtlichen Zugewinnausgleich – aus welchen Gründen auch immer – nicht verlangt. Wird der überlebende Ehegatte hingegen zwar nicht als Erbe berufen, ist er aber zumindest vermächtnisweise bedacht worden und macht er gegenüber den Erben (z. B. anstelle einer Ausschlagung des Vermächtnisses) nach § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB den Pflichtteilsrestanspruch geltend, kann er von dem Gesamterwerb (Vermächtnis zuzüglich Pflichtteilsrest) den Betrag nach § 5 Abs. 1 ErbStG abziehen.[4]

 

Rz. 26

Ob bei beschränkt steuerpflichtigen Ehegatten das erbschaftsteuerpflichtige Inlandsvermögen i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, § 121 BewG um den fiktiven Zugewinnausgleichsanspruch gekürzt werden kann, ist nicht abschließend geklärt.[5] Weinmann ist zuzugeben, dass jedenfalls im Ausland ansässige Ehegatten/eingetragene Lebenspartner, die dem deutschen Ehegüterrecht unterliegen, von einem Inlandserwerb den ihnen zustehenden fiktiven Zugewinnausgleichsanspruch abziehen können[6] Unklar ist, ob die Steuerbefreiung und damit § 5 Abs. 1 ErbStG auch bei Geltung ausländischen Erbrechts uneingeschränkt Anwendung findet. Die Steuerfreiheit knüpft an den fiktiven Zugewinn im Scheidungsfall an. Der Zugewinnausgleich im Scheidungsfall ist aber güterrechtlich (und nicht erbrechtlich) zu qualifizieren. Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Rechtswahl nach der EuErbVO sollte daher darauf geachtet werden, dass deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt. Denn nur bei deutschem Erbrecht kommt es nach deutschem Recht zum pauschalen Zugewinnausgleich und damit einer gesicherten Anwendung von § 5 Abs. 1 ErbStG.

[2] Kesseler, in Festschrift für Sebastian Spiegelberger zum 70. Geburtstag, 258–269.
[4] Ebenso Gottschalk, in T/G/J/G, § 5 ErbStG Rz. 27.
[5] Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 5 Rz. 15 m. w. N.; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 5 Rz. 10; Richter, in V/S/W, ErbStG, 2020, § 5 Rz. 14.
[6] Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 5 Rz. 15.

2.2 Berechnung der Ausgleichsforderung

 

Rz. 27

Der in diesem Fall nur für steuerliche Zwecke benötigte "fiktive" Zugewinn ist unter Beachtung der zivilrechtlichen Regelungen (Rz. 13 ff.) zu ermitteln.[1] Hierzu sind jeweils das Anfangsvermögen und das Endvermögen eines Ehegatten gegenüberzustellen. Hierbei sind die Korrekturen des Anfangs- (Rz. 14) und Endvermögens (Rz. 16) zu beachten.

[1] Vgl. H E 5.1 (5) ErbStH 2019.

2.2.1 Nachweis des Anfangsvermögens

 

Rz. 28

Als problematisch erweist es sich in der Praxis, wenn keinerlei Nachweise über die Höhe bzw. den Umfang des jeweiligen Anfangsvermögens vorhanden sind. Steuerlich kann nämlich nicht auf die gesetzliche Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB verwiesen werden, wonach im Zweifel kein Anfangsvermögen vorhanden war.[1]

 

Rz. 29

Für den überlebenden Ehegatten nachteilig ist, dass eine als Beweismittel grundsätzlich denkbare eidesstattliche Versicherung des erstverstorbenen Ehegatten über sein Anfangsvermögen regelmäßig nicht vorhanden ist und nachträglich ja nicht mehr vorgelegt werden kann. Daher kommen hilfsweise andere Erkenntnisquellen (Aussagen von Familienangehörigen, Verwandten oder des Steuerberaters) in Betracht. Im Zweifel begnügt sich das FA mit einer (ggf. eidesstattlichen) Erklärung des überlebenden Ehegatten zum Anfangsvermögen des erstverstorbenen Ehegatten. Ferner kommt auch eine Schätzung dess FA in Betracht.[2]

[1] Meßbacher-Hönsch, in Wilms/Jochum, ErbStG, § 5 Rz. 89; Geck, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 5 Rz. 54.
[2] Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 5 Rz. 28.

2.2.2 Nominale Wertsteigerung

 

Rz. 30

Da das Anfangsvermögen im Laufe der Ehezeit allein aufgrund Inflation an Wert gewinnt, müssen auch für erbschaftsteuerliche Zwecke diese nur nominellen Steigerungen eliminiert werden.[1] Die An...

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