Rz. 13

Die Berechnung der 10-Jahresfrist bereitet in der Praxis selten Probleme. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer für den jeweiligen Erwerb. Im Erbfall ist dies regelmäßig der Todestag[1], bei Schenkungen der Tag der Ausführung. Besonderheiten ergeben sich nach Ansicht des BFH[2] aber in Fällen des (unbedingten) Erwerbs aufschiebend bedingter, betagter oder befristeter Ansprüche. Solche Ansprüche sind zwar zunächst gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. den §§ 4 und 8 BewG nicht zu berücksichtigen; sie sind aber gleichwohl mit dem Übergang etwa auf einen Erben bereits erworben. Dies hat insbesondere Bedeutung für § 14 Abs. 1 ErbStG. Es liegt nur ein Vorerwerb i. S. d. § 14 Abs. 1 ErbStG vor, wenn sich in dem (unbedingten usw.) Erwerb aufschiebend bedingte, betagte oder befristete Ansprüche befinden. Infolgedessen können auch nicht mehrere 10-Jahreszeiträume i. S. d. § 14 Abs. 1 ErbStG betroffen sein. Angefallen ist ein unbedingt erworbenes bedingtes Recht deshalb bereits mit dem Erwerb, während beim bedingten Erwerb der Anfall erst mit Bedingungseintritt erfolgt.[3]

 

Rz. 14

Unsicherheiten bestanden bisher im Fall der Notwendigkeit einer taggenauen Berechnung. Denn die Anwendbarkeit von § 187 BGB war unklar. Der BFH hat diese Unklarheiten beseitigt und die Frage im Sinne der herrschenden Literaturmeinung beantwortet. Bei der Rückwärtsberechnung des 10-Jahreszeitraums ist demnach der Tag des letzten Erwerbs mitzuzählen und § 108 Abs. 3 AO ist nicht anwendbar.[4] Bei einer Schenkung am 31.12.2021 würde der Rückrechnungszeitraum mit dem Letzterwerb am 31.12.2021 um 24 Uhr beginnen und am 1.1.2011 um 0:00 Uhr enden. Eine Zuwendung, die am 31.12.2010 erfolgt war, wäre bereits nicht mehr einzubeziehen.

 

Rz. 15

Damit ist es möglich, z. B. an ein Kind oder Enkelkind alle 10 Jahre anlässlich des Geburtstags außerhalb des Anwendungsbereichs des § 14 ErbStG zu schenken. Wird etwa an ein Kind eine Schenkung anlässlich seines 10. Geburtstags am 25.11.2011 in Höhe der persönlichen Freibeträge getätigt und erfolgt die weitere Schenkung zum 20. Geburtstag am 25.11.2021, dann erlaubt dies die erneute Ausnutzung der persönlichen Freibeträge.[5] Mit der Zuwendung müsste im Beispiel also nicht bis zum 26.11.2021 gewartet werden.

[3] Oppermann/Petschenka, ZEV 2022, 126, 127.
[4] BFH v. 28.3.2012, II R 43/11, BStBl II 2012, 599; Kugelmüller-Pugh, in V/S/W, ErbStG, 2017, § 14 Rz. 10.
[5] Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 14 Rz. 7; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 14 Rz. 8; krit. Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 14 Rz. 6.

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