Rz. 564

Nach § 194 Abs. 1 BewG ist auch der Wert des Erbbaugrundstücks vorrangig im Vergleichswertverfahren nach § 183 BewG zu bewerten. Dessen Anwendung kommt jedoch nur in Betracht, wenn für das Erbbaugrundstück Vergleichskaufpreise vorliegen. Vergleichskaufpreise sind möglichst

  • innerhalb der gleichen Grundstücksart,
  • mit annähernd gleich hohen Erbbauzinsen,
  • in Gebieten mit annähernd gleichem Bodenwertniveau,
  • mit annähernd gleicher Restlaufzeit,
  • und annähernd gleichen Möglichkeiten der Anpassung der Erbbauzinsen

zu wählen.[1]

Da mit einem Erbbaurecht belastete Grundstücke nur einen sehr geringen Teil der Verkaufsfälle ausmachen dürften und die Bedingungen der Erbbaurechte individuell sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, werden sich geeignete Vergleichsfälle nur in Ausnahmefällen ermitteln lassen. Allenfalls kann der Wert des Erbbaugrundstücks durch Anwendung eines Vergleichsfaktors auf den Bodenwert des unbelasteten Grundstücks ermittelt werden.[2] In der Praxis wird das Vergleichswertverfahren bei der Bewertung von Erbbaugrundstücken deshalb eher geringe Bedeutung haben.[3]

 

Rz. 565

Liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des Vergleichswertverfahrens nicht vor, ist der Wert des Erbbaugrundstücks nach § 194 Abs. 2 BewG in einem finanzmathematischen Verfahren zu ermitteln, das im Wesentlichen Rz. 4.3.3.2 WertR 2006 entspricht und sich im Überblick wie folgt darstellt:

 
Bodenwertanteil[4] Gebäudewertanteil[5]
Abgezinster Bodenwert des unbelasteten  
Grundstücks  
+  
über die Restlaufzeit kapitalisierte  
vereinbarte Erbbauzinsen  
=  
Bodenwertanteil + ggf. abgezinster Gebäudewertanteil ­(abhängig von der Restnutzungsdauer des Gebäudes, der Restlaufzeit des Erbbaurechts und der Höhe der ­Gebäudeentschädigung)
=
Grundbesitzwert

Nach § 194 Abs. 2 S. 1 BewG entspricht der Wert des Erbbaugrundstücks grundsätzlich dem nach § 194 Abs. 3 BewG ermittelten Bodenwertanteil. Dieser ist nach § 194 Abs. 2 S. 2 BewG um einen nach § 194 Abs. 4 BewG ermittelten Gebäudewertanteil zu erhöhen, wenn der Wert des Gebäudes vom Eigentümer des Erbbaugrundstücks nicht oder nur teilweise zu entschädigen ist.

 

Rz. 566

Der Bodenwertanteil ist nach § 194 Abs. 3 S. 1 BewG die Summe des über die Restlaufzeit des Erbbaurechts abgezinsten Bodenwerts[6] und der über diesen Zeitraum kapitalisierten Erbbauzinsen. Im Gegensatz zum Bodenwertanteil des Erbbaurechts kann der Bodenwertanteil des Erbbaugrundstücks keinen negativen Wert annehmen.[7] Auf einen Marktanpassungsfaktor wird auch im Rahmen der Bewertung von Erbbaurechtsgrundstücken aus Vereinfachungsgründen verzichtet.[8] Der Abzinsungsfaktor für den Bodenwert wird in Abhängigkeit vom Zinssatz nach § 193 Abs. 4 BewG und der Restlaufzeit des Erbbaurechts ermittelt; er ist der Anlage 26 zum BewG zu entnehmen. Der maßgebliche Zinssatz ergibt sich danach vorrangig aus dem von den Gutachterausschüssen i. S. d. §§ 192 ff. BauGB ermittelten Liegenschaftszinssätzen.[9] Nur soweit von den Gutachterausschüssen keine geeigneten Liegenschaftszinssätze zur Verfügung stehen, gelten die pauschalen Zinssätze nach § 193 Abs. 4 S. 2 Nrn. 1–5 BewG. Als Erbbauzinsen werden nach § 194 Abs. 3 S. 3 BewG die am Bewertungsstichtag vereinbarten Erbbauzinsen angesetzt[10]; sie sind mit dem Vervielfältiger nach Anlage 21 zum BewG zu kapitalisieren. Entsprechen die vereinbarten Erbbauzinsen der angemessenen Bodenwertverzinsung, deckt sich der Wert des Erbbaugrundstücks mit dem Wert des unbebauten Grundstücks. Liegen sie darüber, ergibt sich ein höherer, liegen sie darunter, ergibt sich ein geringerer Wert.

Der Umstand, dass die über die Restlaufzeit des Erbbaurechts kapitalisierten Erbbauzinsen die Höhe des Bodenwerts beeinflussen, ändert nichts daran, dass Gegenstand des Erwerbs das Erbbaugrundstück als solches und nicht der damit verbundene Anspruch auf die Erbbauzinsen ist. § 23 ErbStG ist daher auf den Erwerb erbbaurechtsbelasteter Grundstücke nicht anwendbar. Auch wenn der Wert des mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks um ein Vielfaches höher ist, als der nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlende jährliche Erbbauzins, ist das Besteuerungswahlrecht nach dieser Vorschrift nicht eröffnet.[11]

 

Rz. 567

Der ggf. zusätzlich anzusetzende Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks entspricht nach § 194 Abs. 4 BewG dem Gebäudewert oder dem anteiligen Gebäudewert, der dem Eigentümer des Erbbaugrundstücks bei Beendigung des Erbbaurechts entschädigungslos zufällt; er ist nach Maßgabe der Anlage 26 zum BewG auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen. Der Gebäudewert entspricht entweder dem Gebäudeertragswert[12] oder dem Gebäudesachwert[13]; der Abzinsungsfaktor ergibt sich aus der Anlage 26 zum BewG.[14] Die Belastung aus einer möglicherweise zu hohen Heimfallentschädigung wird nicht berücksichtigt.[15]

 
Praxis-Beispiel

Das Erbbaugrundstück ist mit einem Einfamilienhaus bebaut und 400 m² groß. Der Bodenrichtwert beträgt 215 EUR/m², die Restlaufzeit des Erbbaurechts 59 Jahre und der jährliche Erbba...

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