Rz. 390

Die Vorschriften des § 97 Abs. 1a und 1b BewG regeln, wie der für das Betriebsvermögen bzw. für das Vermögen der Kapitalgesellschaft als Ganzes ermittelte gemeine Wert auf den zu bewertenden Anteil zu verteilen ist. Zugleich lässt sich aus dieser Regelung entnehmen, dass der Wert des Anteils (am Betriebsvermögen bzw. an der Kapitalgesellschaft) nicht auf direktem, sondern auf indirektem Weg – nämlich über die Ermittlung und anschließende Aufteilung des Gesamtwerts des Betriebsvermögens bzw. des Vermögens der Kapitalgesellschaft – zu erfolgen hat.

Die Vorschriften sind erst auf Empfehlung des Finanzausschusses in das Gesetz aufgenommen worden. Nach dem Regierungsentwurf des ErbStRG sollte der bis zum 31.12.2008 geltende § 97 Abs. 1a BewG ersatzlos gestrichen werden, weil er – wie es in der Begründung hieß – "für die neu geregelte Bewertung des Betriebsvermögens keine Bedeutung" habe. Lediglich für die Bewertung im vereinfachten Ertragswertverfahren sollte nach § 6 Abs. 1 AntBVBewV eine Regelung zur Aufteilung des Betriebsvermögens auf die daran bestehenden Anteile getroffen werden. Die Regelung des § 97 Abs. 1b BewG hat in dem bis zum 31.12.2008 geltenden Gesetz keine Entsprechung. Lediglich für den Fall, dass der Wert des Anteils gem. § 11 Abs. 2 S. 2 BewG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft geschätzt wurde, sahen die ErbStR 2003 der Sache nach ebenfalls eine 2-stufige Ermittlung vor, weil sowohl die Ermittlung des Vermögenswerts[1] als auch die des Ertragshundertsatzes[2] auf die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft bezogen wurden.

 

Rz. 391

Eine Begründung, weshalb abweichend vom Regierungsentwurf des ErbStRG § 97 Abs. 1a BewG mit verändertem Inhalt beibehalten und § 97 Abs. 1b BewG neu in das Gesetz aufgenommen wurde, enthält der Bericht des Finanzausschusses nicht. Im Fall des § 97 Abs. 1a BewG drängt sich allerdings die Annahme auf, dass die Beibehaltung darauf zurückzuführen ist, dass die Vorschriften über das vereinfachte Ertragswertverfahren in das Gesetz übernommen wurden. Die gesetzliche Regelung entspricht im Wesentlichen derjenigen, die § 6 Abs. 1 AntBVBewV vorgesehen hatte. Auch die Begründung, die der Bericht des Finanzausschusses für die gesetzliche Regelung gibt[3], stimmt in weiten Teilen wörtlich mit derjenigen zu § 6 AntBVBewV überein.

Wohl aus diesem Grund ist dort an mehreren Stellen von der Aufteilung des "Gesamtertragswerts", der "Ertragswertermittlung" und vom "Ertragswert des Gesamthandsvermögens" die Rede. Die durch den Bericht des Finanzausschusses nahegelegte Annahme, dass sich § 97 Abs. 1a BewG nur auf die Aufteilung eines im (vereinfachten) Ertragswertverfahren ermittelten Werts bezieht, findet allerdings weder im Wortlaut noch in der systematischen Stellung der Vorschrift eine Stütze. Diese ist weder Teil der Regelungen über das vereinfachte Ertragswertverfahren noch überhaupt der Bewertungsvorschriften, sondern bildet einen Teil der Regelung zur Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens.

Gleiches gilt für § 97 Abs. 1b BewG. Im Fall dieser Vorschrift lässt auch der Bericht des Finanzausschusses keine gedanklich vorausgesetzte Beschränkung auf die Ermittlung des gemeinen Werts im Ertragswertverfahren erkennen. Vielmehr heißt es dort ohne jede Einschränkung, dass "der gemeine Wert eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft in den Fällen des § 11 Abs. 2 S. 2 ff. BewG in zwei Stufen zu ermitteln" sei.[4]

 

Rz. 392

Hiernach ist davon auszugehen, dass § 97 Abs. 1a und 1b BewG in allen Fällen des § 11 Abs. 2 BewG Anwendung findet, d. h. nicht nur bei der Ermittlung des gemeinen Werts "unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode", sondern auch dann, wenn sich der gemeine Wert aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten lässt, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Ob der darin liegende Bruch mit dem bis zum 31.12.2008 geltenden Bewertungsverfahren vom Gesetzgeber wirklich beabsichtigt und er sich der damit verbundenen Konsequenzen bewusst war, erscheint zwar ungewiss; Wortlaut und systematische Stellung der Vorschriften lassen aber für eine davon abweichende Auslegung keinen Raum. Die Annahme, dass die Wertermittlung bei Anteilen (an Kapitalgesellschaften bzw. am Betriebsvermögen) generell in einem 2-stufigen Verfahren zu erfolgen hat, wird im Übrigen durch die Fassung des § 11 Abs. 2 S. 3 BewG unterstützt. Obwohl diese Vorschrift nach ihrem unmittelbaren Regelungsbereich die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften betrifft, wird die Ermittlung des Substanzwerts als Bewertungsuntergrenze des gemeinen Werts dort auf das aktive und passive Betriebsvermögen der Gesellschaft als Ganzes bezogen.

Entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung soll nach R B 97.4 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2019 keine Aufteilung nach § 97 Abs. 1a BewG vorgenommen werden, wenn der Wert...

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