Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Steuerrückstände bei Zur-Verfügung-Stellen eines Kontos an den Steuerschuldner

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wer in Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes i.S. des § 3 AnfG dem Schuldner Kontovollmacht für ein im eigenen Namen eröffnetes und geführtes Bankkonto erteilt, kann sich im Falle der Inanspruchnahme durch Duldungsbescheid nicht darauf berufen, die von dem Schuldner veranlassten Einzahlungen seien nicht anfechtbar, da mit Einräumung der Verfügungsberechtigung über das Bankkonto die gegenüber der Bank bestehenden Auszahlungsansprüche an den Schuldner abgetreten gewesen seien.

2. Für den aus § 11 AnfG folgenden Wertersatzanspruch ist es nicht entscheidend, dass zum Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlung ein gedachter Zugriff in den - gedanklich nicht aus dem Vermögen des Schuldners weggegebenen – Gegenstand erfolgreich wäre.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1; AnfG §§ 3, 11

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin mit Duldungsbescheiden für Steuerrückstände ihres Neffen und dessen Ehefrau in Anspruch genommen werden kann.

Die 1927 geborene Klägerin ist die Tante des Herrn K. Dieser sowie seine Ehefrau H waren als selbständige Handelsvertreter tätig. Beide schulden dem Land Rheinland-Pfalz vertreten durch den Beklagten Steuern und steuerliche Nebenleistungen in Höhe von 99.863,91 € (Herr K - im Folgenden Vollstreckungsschuldner) und 199.569,32 € (Frau H - im Folgenden Vollstreckungsschuldnerin) (vgl. Rückstandsaufstellungen vom 05. Mai 2011; Bl. 102 ff., 113 ff. Hefter Duldungsbescheide - Hefter DB). Die Fälligkeiten der einzelnen Steuerforderungen datieren im Zeitraum zwischen 2001 und 2010.

Der Klägerin war bekannt, dass sich die finanziellen Verhältnisse der Eheleute K (im Folgenden: Vollstreckungsschuldner) seit vielen Jahren in einer Schieflage befinden. Es war ihr auch bekannt, dass die Vollstreckungsschuldner wegen negativer Schufa-Einträge kein eigenes Konto eröffnen konnten. Nach ihren eigenen Angaben war sie in allen Jahren bemüht, ihrem Neffen sowie seiner Ehefrau im Rahmen ihrer Möglichkeiten finanziell auszuhelfen.

Am 01. Dezember 2004 schlossen die Klägerin und die Vollstreckungsschuldner eine Abtretungsvereinbarung. Darin verpflichtete sich die Klägerin, den Vollstreckungsschuldnern ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 20.000,- € in bar auszuzahlen. Die Rückzahlungsbeträge sollten aufgrund der finanziellen Situation der Vollstreckungsschuldner "zunächst bis auf weiteres" gestundet werden. Zur Sicherheit traten die Vollstreckungsschuldner ihre künftigen Bezüge und Provisionen aufgrund ihrer selbständigen Handelsvertretertätigkeit und darüber hinaus bestehende Lohn- und Gehaltsansprüche im Falle eines festen Anstellungsverhältnisses an die Klägerin ab.

Damit ihr Neffe für eine im 3. Quartal 2005 neu aufzunehmende Tätigkeit über ein Konto verfügen konnte, eröffnete die Klägerin am 15. Juli 2005 bei der Raiffeisenbank W ein Konto (Nr. ...462) und erteilte ihm unbeschränkte Verfügungsvollmacht (Bl. 92 Vollstreckungsakte Band III - VollStrA III). Auftraggeber der Vollstreckungsschuldner leisteten auf deren Anweisung Zahlungen auf das Konto (Bl. 118, 120, 130 - VollStrA II). Nachdem eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15. Februar 2006 wegen Rückständen des Vollstreckungsschuldners an die Raiffeisenbank ins Leere ging (Bl. 112, 123 VollStrA II), informierte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Februar 2006 darüber, dass Auftraggeber der Vollstreckungsschuldner auf das Konto Einzahlungen geleistet hatten und kündigte die Anfechtung dieser Rechtshandlungen nach §§ 3, 4 des Gesetzes über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens vom 05. Oktober 1994 (AnfG) an (Bl. 127 VollStrA II). Zwei Tage später, am 23. Februar 2006, eröffnete die Klägerin ein Konto bei der Volksbank S (Nr. ...702) und erteilte ihrem Neffen - dem Vollstreckungsschuldner - erneut Verfügungsvollmacht (Bl. 48 Hefter DB). Ihren Angaben nach sollte das Konto die Vollstreckungsschuldner bei der Abwicklung der Geschäfte des täglichen Lebensbedarfs (Mietzahlungen, Zahlungen der Strom/Gasrechnung) unterstützen. Für das Konto wurde ein Dispositionskredit in Höhe von 20.000,- € eingeräumt; hierfür hatte die Klägerin als Sicherheit einen Teil ihres Wertpapierdepots in Höhe von 20.000,- € an die Bank abgetreten (Bl. 50 AdV-Akte). Das Konto bei der Raiffeisenbank W löste die Klägerin am 01. März 2006 auf (Bl. 92 VollstrA III). Auf den Schriftwechsel zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu der mit Schriftsatz vom 21. Februar 2006 angekündigten Anfechtung wird verwiesen (Bl. 130 f., 133 f., 140 VollstrA III).

Am 01. Juni 2009 schlossen die Klägerin und der Vollstreckungsschuldner eine weitere "Abtretungsvereinbarung", wonach die Klägerin sich gegen - zunächst stillschweigende - Abtretung künftiger Bezüge und Provisionen aus selbständiger Handelsvertretertätigkeit sowie bestehender Lohn- und Gehaltsansprüche verpflichtete, einen Kontokorrentkred...

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