Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung ausbildungsbedingter Mehraufwendungen (Heimunterkunft, Fahrtkosten) bei Ermittlung des Grenzbetrags

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Ermittlung des Grenzbetrags ist die im Gesetz genannte Regelung „Einkünfte und Bezüge“ verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nicht nur erwerbssichernder Aufwand bei steuerpflichtigen Ausbildungsvergütungen, sondern auch nicht als Werbungskosten zu qualifizierende ausbildungsbedingte (Mehr)-Aufwendungen (Heimunterkunft, Fahrtkosten u. a.) abzuziehen sind.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2-3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.09.2001; Aktenzeichen VI R 42/01)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Berechnung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes während der Zeit der Berufsausbildung Aufwendungen als Abzugsposten zu berücksichtigen sind.

Der Kläger erhielt bis Dezember 1998 Kindergeld in Höhe von 220,-- DM monatlich für seine am 29. Januar 1979 geborene Tochter S. Sie absolvierte ihre Ausbildung zur Erzieherin von August 1995 bis Juli 1996 als Vorpraktikum im Kindergarten mit Vergütung, von September 1996 bis Juli 1998 die Berufsfachschule in Karlsruhe (ohne Vergütung) und von August 1998 bis Juli 1999 als einjähriges Berufspraktikum mit Vergütung.

Für die Zeit Januar bis Juli 1998 machte der Kläger als Aufwendungen der Tochter geltend: Unterbringung im Wohnheim sieben Monate zu 450,-- DM, insgesamt 3.150,-- DM; Fahrtkosten 22 Wochen zu 60 km (einfach) zu 1,04 DM/km, insgesamt 1.372,80 DM; zusammen 4.522,80 DM.

Für die Zeit ab 1. August 1998 machte der Kläger weitere 1.190,-- DM als Werbungskosten der Tochter für Fahrtkosten, Fortbildungsveranstaltung u. a. geltend (auf die Aufstellung Blatt 23 der Prozessakte wird verwiesen).

S erhielt für Januar bis Juli 1998 Bafög-Leistungen von 7 x 615,-- DM = 4.305,-- DM sowie von August bis Dezember Arbeitslohn von 11.086,-- DM.

Der Beklagte sah die Grenze von 12.360,-- DM als überschritten an. Er setzte das Kindergeld für S ab Januar 1998 auf 0,-- DM fest und forderte den danach für 1998 überzahlten Betrag von 2.640,-- DM zurück. Der Einspruch hiergegen hatte keinen Erfolg. Der Beklagte ging davon aus, dass von dem Bafög-Betrag (4.305,-- DM) nur 360,-- DM pauschal abzuziehen seien sowie vom Arbeitslohn (11.086,56 DM) 2.000,-- DM Arbeitnehmerpauschbetrag, so dass ein Betrag von 13.391,56 DM verblieb.

Mit der Klage trägt der Kläger vor, die Auffassung des Beklagten, die darauf hinauslaufe, dass steuerlich nicht zu erfassende Einnahmen angerechnet, steuerlich nicht erfasste Kosten der Berufsausbildung aber nicht abgezogen werden könnten, sei unzutreffend. Tatsächlich entstandene Ausgaben für eine Schulausbildung stünden dem Kind nicht mehr als Mittel zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung zur Verfügung. Somit könnten diese Aufwendungen auch nicht bei der Berechnung des verbleibenden anrechenbaren Einkommens außer Betracht bleiben. Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt seien, würden bei der Ermittlung der Einkommensgrenze nicht berücksichtigt. Danach müssten die der Tochter des Klägers zugeflossenen Bafög-Leistungen mit den während dieser Zeit entstandenen Aufwendungen für die Berufsausbildung verrechnet werden; denn diese Mittel habe sie ja zweckgebunden genau zur Bestreitung dieser Ausbildungskosten erhalten.

Die Grenze des § 32 Abs. 4 EStG entspreche fast genau dem vom BVerfG festgelegten Betrag des einkommensteuerfreien Existenzminimums, weshalb aus diesem verbleibenden Betrag keine Ausbildungskosten mehr getragen werden könnten. Die betreffenden Aufwendungen seien vor der Anrechnung des Einkommens an diesem zu kürzen, weil dem Kind sonst das Existenzminimum nicht mehr verbleiben würde.

Der Kläger beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 16. September 1999 sowie den Rückforderungsbescheid vom 28. Januar 1999 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er trägt vor, die Aufwendungen des Kindes während des Besuchs der Fachschule seien nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG privilegierte Aufwendungen, sondern stellten allenfalls Ausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar. Bezüge für besondere Ausbildungszwecke seien nur solche, die Ersatz für bestimmte, mit einem Auslandsstudium zusammenhängende Aufwendungen seien.

Im übrigen habe das selbst nicht einspruchsbefugte Kind S den Einspruch eingelegt. Das Schreiben des Klägers vom 2. März 1999 wäre hingegen als Einspruch verspätet gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid, mit dem das Kindergeld ab Januar 1998 auf 0,-- DM festgesetzt und die Überzahlung zurückgefordert wird, ist aufzuheben.

Der maßgebliche Grenzbetrag von 12.360,-- DM ist bei verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs. 4 EStG nicht überschritten. Die vom Kläger für Januar bis Juli aufgeführten Kosten sind mit als Abzugspositionen zu berücksichtigen.

Mit Urteil vom 11. April 2000 (2 K 2584/98) hat der Senat zu einer ähnlich gelagerten Fallgestaltung ausgeführt:

Da...

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