Entscheidungsstichwort (Thema)

Außergewöhnliche Aufwendungen: Unterkunftskosten anlässlich einer auswärtigen Arztbehandlung gehören auch dann zu den zwangsläufigen Krankheitskosten, wenn die Krankheit vor Ort hätte preiswerter behandelt werden können. Einkommensteuer 1978

 

Leitsatz (amtlich)

(1) Im Rahmen der Berücksichtigungsprüfung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung kommt es zur Beurteilung der Zwangläufigkeit von Unterkunftskosten anlässlich einer auswärtigen Arztbehandlung nicht darauf, ob der Aufwand objektiv erforderlich gewesen ist oder die Krankheit vor Ort hätte preiswerter behandelt werden können. Die Grundsätze der strengen Kurzkostenrechtsprechung sind auf diese Fälle nicht analog übertragbar. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob am Wohnort zuvor eine erfolglose Behandlung stattgefunden hat.

(2) Sofern in den Unterkunftskosten auch Aufwendungen für ein Frühstück enthalten sind, findet eine Kürzung um die Haushaltsersparnis aus den bei Krankenhausaufenthalten geltenden Erwägungen nicht statt.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 2 S. 1; EStR 1978 Abschn. 189a Abs. 4

 

Tenor

I. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1976 vom 2. März 1979 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 1979 wird die Einkommensteuerschuld auf 5.789,– DM festgesetzt.

II. Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten, die das Finanzamt zu tragen hat, vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, kaufmännische Angestellte im Hotelbetrieb ihrer Eltern, hat sich vom 8. Juni bis 5. August 1976 in … aufgehalten und sich dort von dem Arzt … handeln lassen. Sie hat bei der Einkommensteuer – Veranlagung 1976 als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht:

Arztkosten für die Behandlung vom 8. Juni bis 7. August

1.867,20 DM

Kosten für die Fahrt nach Garmisch-Partenkirchen

290,– DM

Kosten für die Unterkunft im Hotel vom 8. Juni bis 5. August

3.828,– DM

Weitere Arztkosten von

1.016,– DM

7.012,– DM.

Das Finanzamt hat bei der Veranlagung nicht angesetzt Arztkosten von

1.016,– DM,

weil sie von der privaten Krankenversicherung erstattet worden sind, Hotelkosten von

3.828,– DM.

Um diese letzteren Kosten streiten die Beteiligten.

Dr. … am 3. August 1976 in Rechnung gestellt:

2 Untersuchungen am 8. Juni und 29. Juli,

84 Injektionen in der Zeit vom 8. Juni bis 3. August,

3 verschiedene Medikamente (je 42 x).

Seine Diagnose auf der Rechnung lautet: Thyreose polyglanduläre Insuffizienz, cerebrale Durchblutungsstörungen. Auf die ärztlichen Bescheinigungen vom 21. Mai 1979 (Einkommensteuer-Akte Bl. 102) und 15. November 1979 (Prozeß – Akte Bl. 24) wird zusätzlich verwiesen.

Die Sozialversicherung zahlt nicht für die Behandlung bei Dr. … Die private Krankenversicherung erstattet die Arztkosten in dem versicherten Umfang. Fahrt- und Unterkunftskosten gehören nicht zu den vereinbarten Versicherungsleistungen.

Das Gesundheitsamt … hat dem Finanzamt auf Anfrage am 5. Januar 1977 mitgeteilt, daß die Schilddrüsenkrankheit Thyreose in … diagnostiziert und behandelt werden könne. Das Gesundheitsamt Garmisch – Partenkirchen hat dem Gesundheitsamt … dessen Anfrage mitgeteilt, Dr. … Behandlungsmethode sei wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt. Auf diese Auskünfte gestützt hält das Finanzamt den Aufwand für die Hotelunterkunft nicht für notwendig. Dem Vorbringen der Klägerin, die mit dem Einspruch behauptet hatte, ihre Krankheit könne in … nicht behandelt werden, hält das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung entgegen, daß die Klägerin sich nach fachkundiger amtsärztlicher Ansicht auch in Kaiserslautern behandeln lassen könne. Deshalb erwachse ihr der zusätzliche Aufwand für das Hotel nicht zwangsläufig. Das sei offenbar auch die Ansicht der Krankenkassen.

Dagegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch. Sie macht geltend: Sie habe sich 1963 und 1965 zweier Operationen wegen eines Gehirntumors unterziehen müssen und nach der letzten Operation vorübergehend nicht mehr sehen können. Seitdem sei sie ständig von verschiedenen Leiden geplagt, die weitere Krankenhausaufenthalte und auch Operationen erfordert hätte. Dr. … sei der einzige Arzt, der ihr geholfen habe. Er habe es geschafft, daß sie wieder sehen könne. Deshalb fahre sie seit 1969 jedes Jahr zu ihm, um sich von ihm behandeln auflassen und nicht etwa zu einer Badekur.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1976 vom 2. März 1979 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 1979 dahin zu ändern, daß eine zusätzliche außergewöhnliche Belastung von 3.828,– DM anerkannt wird.

Das Finanzamt beantragt,

  • die Klage abzuweisen,
  • hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

Es bleibt dabei, daß die Kosten für die Unterkunft in Garmisch-Partenkirchen nur als zwangsläufig anerkannt werden könnten, wenn der Amtsarzt bestätige, daß die Behandlung gerade dort notwendig sei oder zumindest die Krankenkasse sich aufgrund ärztlicher Gutachten an den Kosten beteilige. Zumindest könnten zusätzliche Kos...

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