Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Zum Umfang der „Ausbildung” i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG in einem staatlich nicht normierten Ausbildungsgang (hier: berufsvorbereitendes Praktikum einer Kosmetikerin). Im Anschluß an eine Berufsfachschule abgeleistetes Praktikum einer Kosmetikerin als Berufsausbildung. Kindergeldstreitigkeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein im Anschluss an den Besuch einer privaten Berufsfachschule für Kosmetik mit dem Abschluss „Staatlich anerkannte Kosmetikerin” geleistetes berufsvorbereitendes Praktikum zählt für Zwecke der Ermittlung des Kindergeldanspruchs noch zur „Berufsausbildung” i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG, da durch diese zusätzliche Ausbildungsmaßnahme noch Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen – insbesondere fachpraktischer Art. – vermittelt werden, die für die Berufsausübung erforderlich sind.

Insoweit ist es irrelevant, dass die zu beurteilende Ausbildungsmaßnahme in keiner Ausbildungsordnung vorgeschrieben ist. In Ausbildungsberufen ohne staatliche Festlegungen des Ausbildungsweges reicht es vielmehr aus, dass die Ausbildungsmaßnahme von den beteiligten Kreisen als übliche und notwendige Maßnahme anerkannt wird.

 

Orientierungssatz

Ist für einen bestimmten Beruf – wie hier der Kosmetikerin – keine Ausbildungsordnung mit abschließenden Festlegungen zum Ausbildungsweg vorhanden, kann eine Berufsausbildung für Zwecke des Kindergeldanspruchs insbesondere insofern vorliegen, als es einen von den beteiligten Kreisen anerkannten oder üblichen Ausbildungsweg gibt. Daraus ergibt sich, daß das im Anschluß an den erfolgreichen Besuch einer staatlich anerkannten privaten Berufsfachschule für Kosmetik geleistete berufsvorbereitende Praktikum in einem Kosmetik-Salon zur Berufsausbildung gehört. Entscheidend ist, daß – wie hier – der Ausbildungszweck im Vordergrund steht.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nrn. 2a, 2 Buchst. a, §§ 62, 63 Abs. 1 Sätze 1-2; BBiG

 

Tenor

I. Der Aufhebungsbescheid vom 08. Oktober 1996 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 1997 werden aufgehoben. Vom Monat Oktober 1996 an bis einschließlich März 1997 wird für die Tochter … Kindergeld festgesetzt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligen ist in Streit, ob ein Praktikum für Kosmetikerinnen im Anschluß an den Besuch einer privaten Berufsfachschule für Kosmetik zur Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG gehört.

Die Tochter des Klägers … ist am … geboren. Sie besuchte vom … bis zum … die staatlich anerkannte private Berufsfachschule für Kosmetik … an der sie die Abschlußprüfung als staatlich anerkannte Kosmetikerin ablegte. Im Anschluß hieran leistete sie vom … bis … in einem Kosmetik-Salon in … ein Praktikum ab. Auf den Praktikantenvertrag vom 22. April 1996 (Blatt 20–23 K-Akte) wird Bezug genommen.

Der Beklagte hob mit Bescheid vom 08. Oktober 1996 die Entscheidung über die Festsetzung des Kindergeldes für die Tochter … ab dem Monat Oktober 1996 mit der Begründung auf, daß die Tochter ihre Berufsausbildung beendet habe. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

In seiner Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 1997 führte der Beklagte aus, daß nach § 32 Abs. 4 des EinkommensteuergesetzesEStG – ein Kind, daß das 18. Lebensjahr vollendet habe, bei der Gewährung des Kindergeldes nur berücksichtigt werde, wenn es

  1. noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet habe, arbeitslos sei und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe oder
  2. noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet habe und

    1. für einen Beruf ausgebildet werde oder
    2. sich in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von höchstens 4 Monaten befinde oder
    3. eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen könne oder
    4. ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres leiste oder
  3. wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten.

Zur Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG gehöre auch die Zeit eines nach der maßgeblichen Ausbildungs- und Prüfungsordnung vorgeschriebenen Praktikums. Die Tochter … habe zum … September 1996 jedoch ihre Berufsausbildung als staatlich anerkannte Kosmetikerin in der Berufsfachschule für Kosmetik abgeschlossen. Nach den Feststellungen im Rechtsbehelfsverfahren sei weder für die Anerkennung des Abschlusses an der Berufsfachschule Kosmetik noch für den Beruf der Kosmetikerin ein Praktikum erforderlich.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, daß seine Tochter bei ihrem jetzigen Arbeitgeber keine Anstellung gefunden hätte, ohne vorher ein Praktikum absolviert zu haben. Die gleiche Auskunft habe er auch vo...

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