Revision eingelegt (BFH II R 38/21)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderregelung zum Wohnsitzbegriff für Bedienstete der Europäischen Union nach Art. 343 AEUV und dem in Bezug genommenen Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vom 26.10.12 - hier Art. 13

 

Leitsatz (amtlich)

Die in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vorgesehene Wohnsitzfiktion setzt voraus, dass die Verlegung des tatsächlichen Wohnsitzes aus einem Mitgliedstaat der Union in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der Union allein im Zeitpunkt des Dienstantritts ausschließlich zur Ausübung der Amtstätigkeit im Dienst der Union erfolgt. Eine Veränderung der Motivation für die Wohnsitznahme ist hierauf ohne Auswirkung, solange der Beamte oder sonstige Bedienstete im Dienst der Union beschäftigt bleibt und der neue Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Union einen räumlichen Bezug zu seiner Tätigkeitsstätte hat.

 

Normenkette

ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a; AO § 8; AEUV Art. 343; Art. 13 Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vom 26.10.12

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für eine Schenkung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG eine Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland besteht.

Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger und seit dem 01. Oktober 1995 Bediensteter der Europäischen Investitionsbank (im Folgenden: EIB) mit Sitz in Luxemburg. Vor dem dortigen Dienstantritt lebte er in KN in Österreich, von wo er am 30. September 1995 nach S in Luxemburg umzog, um ab dem 01. Oktober 1995 die Tätigkeit bei der EIB auszuüben.

Innerhalb Luxemburgs zog der Kläger mehrmals um, zuletzt in eine ihm gehörende Wohnung in der …str. … in X (Luxemburg), die er bis heute innehat und selbst nutzt. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der EIB lernte der Kläger seine Ehefrau kennen. Die Ehefrau ist ebenfalls österreichische Staatsangehörige und seit 1997 Bedienstete der EIB. Beide schlossen im Jahr 2010 die Ehe; anschließend verzog der Kläger zur Aufnahme eines ehelichen Haushalts in die Hausimmobilie seiner Ehefrau in K (Deutschland), wo er bis 2017 (auch) einen Wohnsitz hatte. Die Eheleute gaben diesen Wohnsitz schließlich auf und zogen wieder nach Luxemburg. Den Wohnsitz in der …str. … in X (Luxemburg) behielt der Kläger während der gesamten Zeit bei.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 forderte das Finanzamt T den Kläger auf, eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 abzugeben. Aufgrund einer kontroversen Auseinandersetzung mit dem Finanzamt T bezüglich der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Klägers in Deutschland erklärte der Kläger mit Schreiben vom 6. April 2017 gegenüber dem Beklagten eine Geldschenkung seines Bruders, Herrn A, ebenfalls österreichischer Staatsbürger, vom 27. Dezember 2013 in Höhe von 300.000 €. Herr A hatte zu keinem Zeitpunkt einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (Bl. 1 Schenk-A).

Mit Schenkungsteuerbescheid vom 13. April 2017 setzte der Beklagte für den Erwerb Schenkungsteuer in Höhe von 56.000 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest (Bl. 13 Schenk-A). Der Kläger legte dagegen am 10. Mai 2017 Einspruch ein. Er vertrat die Auffassung, dass er als Bediensteter der EIB von dem "Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union" vom 08. Mai 1965 in der Fassung des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 profitiere. Nach Art. 13 des Privilegienprotokolls sei für die Bestimmung eines Wohnsitzes allein die Motivation für die Wohnsitzverlegung aus einem Mitgliedstaat - hier Österreich - in einen anderen Mitgliedstaat "zur Zeit des Dienstantritts bei der Union" maßgebend. Er sei nur wegen seines Dienstantritts zum 1. Oktober 1995 bei der EIB von Österreich nach Luxemburg umgezogen. Die Anwendung von Art. 13 des Privilegienprotokolls führe deshalb zu dem Ergebnis, dass er seinen steuerlichen Wohnsitz in Österreich beibehalten habe. Ein nachträglicher Wechsel des Wohnsitzes, auch in einen nahegelegenen, benachbarten anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, sei irrelevant.

Mit Einspruchsentscheidung vom 1. August 2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf (Bl. 108 ff. Schenk-A). Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe Ende Juli 2010 einen Wohnsitz i.S.v.§ 8 AO in K begründet, sodass er im Zeitpunkt der Schenkung unbeschränkt steuerpflichtig nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gewesen sei. Einschlägig sei Art. 14 des Privilegienprotokolls. Die Vorschrift beziehe sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen dem bisherigen (ursprünglichen) Wohnsitzstaat und dem Tätigkeitsstaat des Steuerpflichtigen; sie regele somit ausschließlich die Wohnsitzzuordnung zwischen den beiden Staaten Luxemburg und Österreich, enthalte aber keine Regelung für den Fall, dass der Steuerpflichtige - zusätzlich zum bisherigen Wohnsitzstaat und dem Tätigkeitsstaat - aus rein familiären Gründen - einen weiteren Wohnsitz in einem ...

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