Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsempfänger im Sinne des § 37 Abs. 2 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

Zahlt die Familienkasse auf ein von einem Antragsteller genanntes Konto, so wird sie von ihrer Leistung frei und es tritt Erfüllung ein, unabhängig davon, wer Rechtsinhaber dieses Kontos ist. Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO ist dann auch derjenige, für den die Familienkasse bezahlen wollte, unabhängig davon, auf wessen Konto das Kindergeld geflossen ist.

 

Normenkette

EStG § 70 Abs. 2, § 64 Abs. 1; AO § 37 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.09.2011; Aktenzeichen III R 82/08)

 

Tatbestand

Am 02.02.1995 beantragte der Kläger Kindergeld für seinen und der Beigeladenen Sohn A. Mit Antrag auf Kindergeld vom 31.12.1999 teilte der Kläger der Familienkasse die Geburt seines zweiten Sohnes B am 13.12.1999 sowie eine neue Bankverbindung (Konto Nr.: ; BLZ: ) mit. Der Kläger versicherte mit seiner Unterschrift alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen. Die Beigeladene erklärte sich mit ihrer Unterschrift damit einverstanden, dass dem bisherigen Berechtigten - dem Kläger - das Kindergeld auch für das gemeinsame Kind B gezahlt wird.

Das Kindergeld wurde in der Folgezeit laufend auf das angegebene Konto gezahlt. Am 25.11.2004 erhielt die Familienkasse davon Kenntnis, dass sich der Kläger zum 01.09.2003 aus der bisherigen gemeinsamen Wohnung in der Str. 1 in 2 abgemeldet hat und in die Str. 2 nach 1 gezogen ist. Die Beigeladene und die beiden Kinder sind in der Str. 1 in 2 verblieben.

Mit Antrag vom 28.02.2005 beantragte die Beigeladene Kindergeld für die beiden Kinder. Als Konto gab sie das gleiche an, auf das zuvor das Kindergeld gezahlt worden war. Seit Februar 2005 wird daher das Kindergeld nach wie vor auf das Konto der Beigeladenen Nr.: bei der Sparkasse 1- (BLZ: ) gezahlt.

Mit Bescheid der Familienkasse 1 vom 15.12.2005 wurde gegenüber dem Kläger die Kindergeldfestsetzung für die Kinder A (geb. 02.06.1988) und B (geb. 13.12.1999) nach § 70 Abs. 2 EStG ab September 2003 aufgehoben und das für die Zeit von September 2003 bis Januar 2005 in Höhe von 5.236 € ausbezahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert.

Zur Begründung wurde angeführt, dass nach § 64 Abs. 1 EStG für jedes Kind nur einer Person Kindergeld gezahlt werde. Da die Mutter der Kinder diese in ihren Haushalt aufgenommen habe, habe sie den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld.

Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2006 wies die Familienkasse darauf hin, dass sie aus Billigkeitsgründen von einer Rückforderung absehen könnte, wenn eine Erklärung des anderen Elternteils vorgelegt werde, dass das Kindergeld an diesen weitergeleitet worden sei und der andere Elternteil daher seinen Anspruch als erfüllt ansehe. Die Einspruchsentscheidung trägt einen Absendevermerk vom gleichen Tag und wurde an die bereits im Vorverfahren für den Kläger tätige Prozessbevollmächtigte gegen Empfangsbekenntnis nach § 5 Abs. 2 Verwaltungszustellungsgesetz - VwZG - zugestellt. Im Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten wird ein Erhalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2006 am 05.04.2006 bestätigt.

Die Prozessbevollmächtigte hat für den Kläger Antrag auf Prozesskostenhilfe -PKH- unter ihrer Beiordnung gestellt und zur Begründung für die hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Klage einen Klageentwurf beigefügt. Der Prozesskostenhilfeantrag mit Anlagen und der Klageentwurf gingen am 05.05.2006 bei Gericht ein.

Zur Begründung wurde Folgendes vorgetragen:

Die Einspruchsentscheidung sei erst am 05.04.2006 in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten eingegangen; dies sei dem Eingangsstempel der Kanzlei zu entnehmen. Der Kläger habe sich im August 2003 von seiner Ehefrau, der Mutter der beiden gemeinsamen Kinder A und B, getrennt und sei aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen. Die Ehe sei zwischenzeitlich geschieden. Das Kindergeld sei weiterhin auf das Konto der Beigeladenen bei der Sparkasse 1- geflossen. Er habe aber seine Verfügungsberechtigung über dieses Konto im August 2003 löschen lassen. Zum Nachweis legte er ein Schreiben der Sparkasse 1- vom 15.04.2005 vor, nach dem die Kontovollmacht des Klägers über das Konto, auf welches das Kindergeld bezahlt wurde, zum 21.08.2003 gelöscht wurde. Die Beigeladene, die das Kindergeld von der Familienkasse 1 im Zeitraum von September 2003 bis Januar 2005 auch erhalten habe, weigere sich nun, gegenüber der beklagten Familienkasse eine Erklärung abzugeben, dass sie das Kindergeld für beide Kinder im Streitzeitraum erhalten habe und sie dadurch ihren Anspruch auf Kindergeld für diesen Zeitraum als erfüllt ansehe. Es wäre treuwidrig, wenn die Beigeladene auf diese Weise ein zweites Mal das Kindergeld ausbezahlt erhalten würde.

Die Familienkasse wies darauf hin, dass eine Klage wegen Ablaufs der Klagefrist unzulässig sei. Im Übrigen sei eine Klage auch unbegründet; insoweit werde auf die Ausführungen im Aufh...

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