rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Berücksichtigung von Aufwendungen für Fahrten zwischen dem weiter entfernt liegenden Wohnort zur Arbeitsstätte als Werbungskosten - Zur Kostenfolge durch Einschränkung des Klageantrags

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein weiter entfernt liegender Heimatwohnort bleibt der Mittelpunkt der Lebensinteressen, wenn der Steuerpflichtige zu diesem Ort besondere persönliche Beziehungen unterhält und er ihn nicht nur gelegentlich aufsucht.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der Gelegentlichkeit ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls auszulegen.

Ein Rechtssatz, dass 12 Fahrten über übliche private Besuchsfahrten nicht hinausgehen, findet sich weder in den gesetzlichen Grundlagen noch in den Grundsätzen der Rechtsprechung noch in den die Verwaltung bindenden Verwaltungsanweisungen (vgl. R 9.10 Abs. 1 S. 8 LohnStR 2011).

2. Die Einschränkung des Klageantrages wirkt kostenrechtlich wie ein teilweises Unterliegen.

 

Normenkette

FGO § 136; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 6

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Werbungskosten für Fahrten zwischen dem Ort ihrer Arbeitsstätte und ihrem Heimatwohnort geltend machen kann.

Die Klägerin, die am xx.xx..1979 geboren wurde, war im Streitjahr ledig und arbeitete als Bürokauffrau in B. Dort hatte sie auch in dieser Zeit eine Wohnung. Ihr Elternhaus befand sich in X, wo ihr Vater ein Transportunternehmen und einen Baustoffhandel betrieb. In X hatte die Klägerin noch einen Freundeskreis, beteiligte sich dort gelegentlich am Vereinsleben, hatte dort noch ihren Zahnarzt und verfügte dort über ein Konto bei der Bank.

Ende des Jahres 2006 wandte sie sich an den Lohnsteuerhilfeverein mit der Bitte eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr zu erstellen. Die Erklärung unterschrieb sie am 22.12.2006. In der Erklärung gab sie einen Bruttoarbeitslohn von 23.665 € an und erklärte 45 Fahrten von B nach X mit einer Entfernung von 280 km als Werbungskosten. Weitere Werbungskosten machte sie für Kontoführungsgebühren i.H.v. 16 €, 50 % Unfallversicherung i.H.v. 31 € und Steuerberatungskosten i.H.v. 137 € geltend.

Die Erklärung war an das Finanzamt B unter der Steuernummer xxx/xxx/xxxxx adressiert. Der Mantelbogen der Erklärung trägt den Eingangsstempel des Finanzamt F von 04.01.2007 und vom Finanzamt M vom 12.01.2007. Das Finanzamt M übersandte die Erklärung mit Schreiben vom 17.01.2007 (Steuernummer xxx/xxx/xxxxx) an das beklagte Finanzamt wegen der Änderung der örtlichen Zuständigkeit. Es teilte mit, dass die Klägerin nach B verzogen sei und sich damit die örtliche Zuständigkeit für die Einkommensteuerveranlagung geändert habe. Es bat um Übernahme ab dem Veranlagungszeitraum 2004. Es beabsichtige, den bisher unter der o.g. Steuernummer geführten Fall ab dem 01.01.2004 zu löschen.

Das beklagte Finanzamt lehnte mit dem Schreiben vom 19.03.2007 die Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 2004 ab, weil der Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 EStG (in der für das Streitjahr gültigen Fassung) nicht innerhalb der dort vorgeschriebenen 2-Jahresfrist eingereicht worden sei. Eine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist nach § 110 Abs. 1 AO sei nicht möglich. Gegen die Ablehnung der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr erhob die Klägerin am 27.03.2007 Einspruch. Zur Begründung trug sie vor, sie habe die Steuererklärung am 22.12.2006 zur Post gegeben. Hinsichtlich der Werbungskosten wegen der Fahrten von X nach B habe sie sich darauf verlassen können, dass die Anerkennung der Entfernungspauschale bis 4.500 € ohne Nachweis durch Belege erfolge. Ihr Lebensmittelpunkt habe sich in dieser Zeit in X befunden und sie sei jede Woche dorthin nach Hause gefahren. Dort haben ihre Eltern und ihr Freund gewohnt und sie sei in Vereinen aktiv gewesen.

In der Entscheidung vom 06.08.2009 setzte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuer für 2004 i.H.v. 3.101 € fest und wies im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück. Den Solidaritätszuschlag setzte es i.H.v. 170,55 € fest. Die Steuerfestsetzung ergab sich aus dem Einkommensteuerbescheid vom gleichen Datum, der der Einspruchsentscheidung als Anlage beilag. Danach hatte das Finanzamt als Werbungskosten nur den Arbeitnehmer-Pauschbetrag i.H.v. 920 € berücksichtigt. In der Entscheidung führte das Finanzamt aus, die Einkommensteuererklärung sei zwar erst nach dem Ablauf der Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eingegangen. Wegen einer verwaltungsintern bestimmten Übergangsfrist sei gleichwohl die Veranlagung durchzuführen gewesen. Als Werbungskosten könne es jedoch die geltend gemachten Fahrten zwischen B und X nicht anerkennen, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass sich dort ihr Lebensmittelpunkt befunden habe.

Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben und beantragt zuletzt sinngemäß, die Einkommensteuerfestsetzung in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass als Werbungskosten 28 Fahrten von B nach X anerkannt werden.

Weiter beantragt die Klägerin, die Zuziehung eines Be...

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