Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung von Insolvenzforderungen des Finanzamts mit Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

Insolvenzforderungen des Finanzamts und Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch stehen sich erst dann aufrechenbar gegenüber, wenn die (verfahrensrechtlichen) Voraussetzungen für die Änderung des Umsatzsteuerbescheids erfüllt sind.

 

Normenkette

UStG § 14c Abs. 2 S. 5; AO § 226; BGB § 387; InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.08.2021; Aktenzeichen V R 38/20)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Abrechnungsbescheid vom 19.12.2014 rechtswidrig ist.

Der dem Streitfall zugrundeliegende Sachverhalt war bereits Gegenstand des Verfahrens 2 K 54/16, welches mit Urteil aufgrund der Sitzung vom 27.11.2018 abgeschlossen wurde (Nichtzulassungsbeschwerde wurde eingelegt).

Der Kläger ist seit dem 15.09.2011 Insolvenzverwalter über das Vermögen der B; seit dem 31.10.2011 ist er auch Insolvenzverwalter über das Vermögen einer früheren Organtochter von Frau B. Die Insolvenzschuldnerin und die Organtochter haben Rechnungen mit offenen Mehrwertsteuerausweis über Scheinlieferungen an eine Dritte gestellt; die ausgewiesene Mehrwertsteuer wurde bezahlt.

Die von der Dritten zunächst gezogene Mehrwertsteuer wurde unstreitig in 2010 zurückbezahlt; die entsprechenden Festsetzungen sind nicht angefochten.

Mit Umsatzsteuerbescheid für 2009 vom 14.06.2011 setzte das Finanzamt die verbleibende Umsatzsteuer der Insolvenzschuldnerin auf xxx €. fest; mit Umsatzsteuerbescheid vom selben Tag für 2010 setzte es die verbleibende Umsatzsteuer auf xx € fest.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 06.06.2013 und 26.06.2013 beim Finanzamt die Korrektur der Umsatzsteuer 2010 und legte Stornorechnungen der Insolvenzschuldnerin und ihrer Organtochter vor.

Unter dem 05.12.2014 erging ein geänderter Umsatzsteuerbescheid für 2010, in dem die verbleibende Umsatzsteuer auf ./. xxx € herabgesetzt wurde; Zinsen wurden mit ./. xxx € festgesetzt. Ausweislich der Bescheiderläuterungen habe die Dritte den Vorsteuerabzug aus den Scheinrechnungen bereits in 2010 rückgängig gemacht; die Berichtigung der Umsätze sei daher auch in 2010 vorzunehmen. Dieser Bescheid ist angefochten; das Einspruchsverfahren ruht.

Mit Umbuchungsmitteilung vom 16.12.2014 verrechnete das Finanzamt diesen Erstattungsanspruch mit offenen Rückständen Umsatzsteuer 2009.

Mit Datum vom 19.12.2014 erging auf Antrag des Klägers ein Abrechnungsbescheid, in dem die Aufrechnung des Erstattungsanspruchs Umsatzsteuer 2010 sowie Zinsen zur Umsatzsteuer 2010 gegen Rückstände aus der Umsatzsteuer 2009 behandelt wird und der festhält, dass die Aufrechnung zulässig gewesen sei.

Auf den fristgerechten Einspruch des Klägers hin korrigierte das Finanzamt den Abrechnungsbescheid mit Einspruchsentscheidung vom 04.07.2017 dahingehend, dass durch die Aufrechnung der Zinsanspruch aus dem Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 05.12.2014 in Höhe von (./.) xxx € nicht erloschen sei; im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Mit seiner fristgerechten Klage beantragt der Kläger (nur noch):

Der Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 2010 vom 19.12.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.07.2017 wird dahin geändert, dass ein verbleibender Erstattungsanspruch des Klägers in Höhe von xxx € festgestellt wird.

Er begründet seine Klage zuletzt im Wesentlichen damit, dass sich nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 08.11.2016 VII R 34/15 (BFHE 256, 6, BStBl II 2017, 496) sich der Zeitpunkt, wann ein Erstattungsanspruch nach § 14c Abs. 2 Umsatzsteuergesetz im Sinne des § 94 Insolvenzordnung (InsO) entstanden sei, nach dem Erlass eines diesem Zeitpunkt festlegenden Verwaltungsakts bestimme. Deswegen habe vorinsolvenzlich keine Aufrechnungsmöglichkeit bestanden. Zudem läge eine nach § 133 InsO anfechtbare Rechtshandlung zumindest mittelbar vor; hier sei an die Ausstellung der Scheinrechnungen zu denken.

Schriftsätzlich hatte der Kläger - unter Verweis auf dasselbe Urteil - vorgetragen, dass dieser Erstattungsanspruch erst mit Berichtigung der Rechnungen entstehe und dass deswegen keine Aufrechnungslage bestehe. Er trug vor, dass zudem Aufrechnungsverbote nach § 96 InsO bestünden aufgrund der Veranlagung 2010 (Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO) und aufgrund der "Auszahlung" der Umsatzsteuer 2010 (Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet, da der angegriffene Abrechnungsbescheid rechtmäßig ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO). Der unstreitig durch den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 05.12.2014 festgesetzte Erstattungsanspruch in Höhe von xxx € ist vollständig durch die vom Finanzamt in der Umbuchungsmitteilung vom 16.12.2014 erklärte Aufrechnung erloschen (§ 47 Abgabenordnung - AO).

1. Nach § 218 Abs.2 AO 1977 entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Verwaltungsakt. Da...

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