Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IX R 6/24)

 

Leitsatz (redaktionell)

Die aus der Zwangsversteigerung eines Grundstücks resultierende Steuer ist keine Masseverbindlichkeit, wenn die Beschlagnahme vor und die Versteigerung nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgt.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1 Nr. 1; InsO §§ 55, 38; EStG § 22 Nr. 2

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob durch die Zwangsversteigerung eines in der Insolvenzmasse befindlichen Grundstücks der Tatbestand des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt ist und ob die auf diesen Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) darstellt.

Der Insolvenzschuldner B (B) war seit November 2012 Eigentümer einer in C D gelegenen Eigentumswohnung WE Nr. … in der Immobilie „E” (nachfolgend ETW). Aufgrund von Steuerrückständen beantragte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) aus einer auf diesem Grundstück zu seinen Gunsten eingetragenen Zwangshypothek die Zwangsversteigerung in dieses Objekt beim Amtsgericht (AG) C. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des AG C vom 14.12.2018 positiv beschieden.

Über das Vermögen des B wurde am … 05.2020 mit Beschluss des AG C (Az.: … IN …/19) das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Zuschlagsbeschluss des AG C vom 25.11.2020 (Az.: … K …/18) wurde die ETW durch ein Bargebot von 222.222,– EUR [Betrag wurde zwecks Neutralisierung im gesamten Urteil geändert] veräußert. Das FA ermittelte auf der Grundlage dieses Verkaufspreises einen – der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitigen – Veräußerungsgewinn gemäß § 23 EStG in Höhe von 111.111,– EUR und vertrat insoweit die Auffassung, dass es sich bei der auf diesen Veräußerungsgewinn entfallenden Einkommensteuer um Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 InsO handeln würde. In dem an den Kläger adressierten Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 19.05.2021 berücksichtige das FA daher u.a. einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 111.111,– EUR und setzte die Einkommensteuer 2020 gegenüber dem Kläger auf … EUR [zweck Neutralisierung wurde der Betrag entfernt] fest. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Steuerberechnung des FA vom 19.05.2021 sowie die entsprechende Anlage „Abrechnungsteil zum Einkommensteuerbescheid 2020 („Masseverbindlichkeiten”)” in der Steuerakte des B Bezug genommen.

Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und wandte sich gegen den Ansatz eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28.06.2021 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führt er aus, entgegen der Auffassung des FA läge im Streitfall kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 EStG vor. Zwar sei es zutreffend, dass auch ein Grundbesitzwechsel im Rahmen der Zwangsversteigerung grundsätzlich den Tatbestand der Veräußerung i.S.d. § 23 EStG erfülle. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass ein „normaler” Grundstückseigentümer durch Zahlung der Schuld die Zwangsversteigerung abwenden könne. Im vorliegenden Streitfall gelte aber die Besonderheit, dass noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Beschlagnahme des Grundstücks durch einen absonderungsberechtigten Vollstreckungsgläubiger erfolgt sei. Dies habe im Streitfall zur Folge, dass der Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung keine willentliche wirtschaftliche Betätigung des B bzw. des Insolvenzverwalters mehr zugrunde gelegen habe. Denn die Zwangsversteigerung könne in dieser Fallkonstellation ohne die Einwirkungsmöglichkeit des Insolvenzschuldners bzw. des Insolvenzverwalters von Seiten des Vollstreckungsgläubigers durchgeführt werden. Die fehlende Einwirkungsmöglichkeit des Insolvenzschuldners beruhe darauf, dass dieser aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr verfügungsberechtigt sei (§ 80 InsO). Dem Insolvenzverwalter sei es ebenfalls nicht mehr möglich auf die Verwertung des bereits zuvor wirksam beschlagnahmten Gegenstandes Einfluss zu nehmen. So sei dem absonderungsberechtigten Vollstreckungsgläubiger gemäß § 49 InsO ein eigenes Versteigerungsrecht eingeräumt. Diese Möglichkeit zur Verwertung könne der Insolvenzverwalter nicht abwenden. Insbesondere sei die freihändige Verwertung des Insolvenzverwalters gemäß § 165 InsO dem Recht des Vollstreckungsgläubigers nach § 49 InsO insoweit nachrangig. Der Insolvenzverwalter könne daher in diesem Fall die Versteigerung durch den absonderungsberechtigten Vollstreckungsgläubiger nicht abwenden, ohne gegen die zwingenden Vorschriften der §§ 38, 87 InsO zu verstoßen. Da im Streitfall also weder der B als Vollstreckungsschuldner noch der Insolvenzverwalter die Zwangsversteigerung hätten...

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