Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug aufgrund von als Insolvenzverwalter an die Schuldnerin erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Verwertung der Insolvenzmasse. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 8/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Insolvenzverwalters kommt es darauf an, ob der Insolvenzverwalter den Betrieb des insolventen Unternehmens fortführt oder die Insolvenzmasse der Schuldnerin verwaltet, verwertet und verteilt und damit sein Handeln der Befriedigung der Insolvenzgläubiger dient.

2. Führt der Insolvenzverwalter Lieferungen und sonstige Leistungen mittels Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse aus, erbringt er keine Leistung im unmittelbaren Zusammenhang mit der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübten Tätigkeit bzw. den dabei ausgeführten Umsätzen, die vorrangig darauf abzielt, das Unternehmen des Insolvenzschuldners zu erhalten. Dienen die Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger, erbringt er gegenüber dem Insolvenzschuldner eine einheitliche Leistung in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger. Der Leistungsbezug des Insolvenzschuldners dient damit der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübten Tätigkeit.

3. Der Vorsteuerabzug aufgrund der Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters ist gemäß § 15 Abs. 4 UStG anteilig zu versagen, soweit die Leistung des Insolvenzverwalters in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit angemeldeten Forderungen stehen, die mit steuerbefreiten Tätigkeiten des Insolvenzschuldners entstanden sind. Zur Bestimmung des abzugsfähigen Anteils des Vorsteuerbetrages ist darauf abzustellen, ob und inwieweit die zur Tabelle angemeldeten Forderungen insgesamt mit steuerpflichtigen oder steuerfreien Ausgangsumsätzen im Zusammenhang stehen, also die den Forderungen zugrunde liegenden bezogenen Leistungen zur Ausführung steuerpflichtiger Ausgangsumsätze verwendet worden sind. Dieser Zusammenhang ist grundsätzlich für jede einzelne Forderung zu prüfen.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, 1 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Q GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) aus seiner Rechnung an die Schuldnerin über seine als Insolvenzverwalter erbrachten Leistungen den Vorsteuerabzug geltend machen kann.

Gegenstand des Unternehmens der Schuldnerin war die Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben als Bauherrin für eigene oder fremde Rechnung sowie die Betreuung von fremden Bauvorhaben für fremde Rechnung. Die Bauvorhaben betrafen jeweils die Erstellung schlüsselfertiger Wohngebäude.

Die Schuldnerin wurde vom Beklagten zur Umsatzsteuer veranlagt. Für die Jahre 2002 bis 2004 reichte die Schuldnerin Jahresumsatzsteuererklärungen ein, in denen sie überwiegend steuerfreie Ausgangsumsätze erklärte (2002: 97%, 2003: 90%, 2004: 69%). Für das Jahr 2005 reichte die Schuldnerin monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein. Ausgehend von dem danach in der Summe erklärten Jahresumsatz betrugen die steuerfreien Umsätze rund 46%. Für das Jahr 2006 wurden für die Monate Januar bis April Umsatzsteuer-Voranmeldungen eingereicht (stpfl. Umsätze: 369.564 €; stfr. Umsätze: 1.595.769 €):

stpfl.

stfr.

gesamt

2002

178.558,00 €

3%

6.281.685,00 €

97%

6.460.243,00 €

2003

803.545,00 €

10%

7.548.407,00 €

90%

8.351.952,00 €

2004

2.468.553,00 €

31%

5.433.150,00 €

69%

7.901.703,00 €

2005

3.530.236,00 €

54%

2.953.604,00 €

46%

6.483.840,00 €

2006

369.564,00 €

19%

1.595.769,00 €

81%

1.965.333,00 €

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärungen 2002 bis 2004 sowie die Umsatzsteuer-Überwachungsbögen des Beklagten für 2005 und 2006 Bezug genommen (vgl. Umsatzsteuerakte Band IV).

Der Kläger wurde zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Schuldnerin bestellt. In dieser Funktion erstellte er ein Gutachten mit Datum vom 22.08.2006. Auf den Inhalt des Gutachtens wird Bezug genommen (Insolvenzakte Bl. 8 ff.). Mit Beschluss des Amtsgerichts E vom 00.08.2006 (Az. 000 IN 000/06) wurde der Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt.

Bei Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens befanden sich im Eigentum der Schuldnerin verschiedene teilfertige und fertige Bauvorhaben, welche sie wegen der fehlenden finanziellen Mittel nicht weiterführen konnte. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens wurde der jeweilige Stand der Bauvorhaben aufgenommen, Arbeiten abgerechnet und Abwicklungsvereinbarungen mit den Auftraggebern bzw. Erwerbern der Immobilien geschlossen.

Der Kläger stellte der Schuldnerin für seine Leistung als Insolvenzverwalter mit Datum vom 01.03.2018 einen Betrag i.H.v. 89.260,15 € zzgl. 16.959,43 € Umsatzsteuer in Rechnung. Der Rechnungsbetrag konnte mangels ausreichender Masse nur ...

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