Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestaltungsmissbrauch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zwischenschaltung einer Briefkastenfirma bei der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung erfüllt den Tatbestand des § 42 AO.

2. Die Voraussetzungen einer Briefkastenfirma ergeben sich aus dem Schreiben des BfF v. 23.1.1995.

 

Normenkette

AO 1977 § 90 Abs. 2; EStG § 17 Abs. 1; AO 1977 § 42 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.01.2007; Aktenzeichen VIII B 180/05)

 

Tatbestand

Es ist zu entscheiden, ob die Zwischenschaltung einer Briefkastenfirma (Domizilgesellschaft oder Basisgesellschaft) den Tatbestand des Gestaltungsmissbrauchs erfüllt (§ 42 Abgabenordnung (AO)).

Die Kläger (Kl.) sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer (ESt) und mit ihren beiden Kindern E1. und E2. zusammen zur Vermögensteuer (VSt) veranlagt werden.

Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung E3. (FA für GroßBp) hatte im Rahmen der Prüfung der Fa. XXX. Zentrum E3. GmbH, in E3. (XXX) für die Jahre 1987 bis 1990 festgestellt, dass das Stammkapital der XXX 1 Mio. DM betrug und alleinige Gesellschafterin der XXX die Fa. N. Holding AG, in A. (Schweiz) (N.) war (Tz. 7 des Bp-Berichts vom 30.09.1993).

Im Rahmen einer Anschluss-Bp bei der in Fa. Q. E3. GmbH, in E3. (Q.) umbenannten XXX für die Jahre 1991 bis 1995 stellte das FA für GroßBp Folgendes fest (Tz. 8 des Bp-Berichts vom 30.06.1997):

Die Fa. A1. AG, in E4., T1. (Schweiz) (A1.) als alleinige Gesellschafterin der XXX hatte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13.09.1996 (UR-Nr. 398/1996 des Notars Dr. I1. F1., in N2.) ihre Geschäftsanteile an der XXX i. H. v. 1 Mio. DM mit Wirkung vom 01.01.1996 an die Fa. N3., Mineralölhandels-GmbH, in I2. (N3.) abgetreten. N3. hatte diesen Vertrag mit Schreiben vom 27.09.1996 dem Finanzamt E3.-Ost vorgelegt. Das Bundesamt für Finanzen (BfF) hat in seinem Schreiben vom 23.01.1995 Folgendes ermittelt:

N. ist eine reine Briefkastenfirma (= Sitz- oder Domizilgesellschaft ohne eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb). N. trägt seit ihrer Ersteintragung fast ununterbrochen einen sogenannten Domizilvermerk. Sämtliche Domizilgeber üben diese Funktion bei weiteren Gesellschaften aus. Bei den Anschriften handelt es sich um sog. Domiziladressen, unter denen eine Vielzahl von sog. Domizilgesellschaften ihren Sitz hat. Sämtliche Mitglieder des Verwaltungsrates (= Geschäftsführung) dürften als branchenfremd anzusehen sein, da sie – vermutlich – nicht über eine der vorgegebenen Geschäftstätigkeiten der N. entsprechende berufsspezifische Qualifikation verfügen. Alle Mitglieder des Verwaltungsrates sind von weiteren Unternehmen, zumeist Briefkastengesellschaften, als Verwaltungsrat eingesetzt worden. Die Sitzwechsel der N. erfolgten stets kurz nach dem Wechsel des Verwaltungsrates. N. verfügt über keine Kommunikationsmittel. Sie ist weder im Telefon- noch im Telefax- und/oder Telexverzeichnis aufgeführt.

Der anfängliche alleinige Verwaltungsrat der N., E.M. (E.M.), war auch bei den beiden 100 %-igen Beteiligungsgesellschaften N. Q2. GmbH, in T4. und XXX als Geschäftsführer eingesetzt worden. Dass die Verwaltungstätigkeit der N. – wie z. B. die beherrschende Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Beteiligungsgesellschaften – nicht gegeben ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass E.M. bei weiteren schweizerischen Gesellschaften als Verwaltungsrat fungiert.

Im Rahmen der Anschluss-Bp bei der Q. für die Jahre 1991 bis 1995 erlangte das FA für GroßBp Kenntnis von dem Protokoll der ordentlichen Generalversammlung der Aktionäre der N. vom 25.01.1989 (Tz. 37 des Bp-Berichts vom 30.06.1997). Darin heißt es:

„…

Zu Ziffer 1 der Tagesordnung

1.1. Konstituierung

Den Vorsitz in der Versammlung führt der Verwaltungsrat Dr. M. W.; er stellt die Anwesenheit folgender Personen und die Vertretung der nachfolgend aufgeführten Aktien fest:

1. …

2. Herr I. T. legt eine Hinterlegungsbestätigung, unterzeichnet von Herrn Rechtsanwalt V1. C2. in C3. vor, gemäß welcher bei Herrn C2. die Aktienzertifikate Nr. 1-40 zu je 10 Aktien, hinterlegt sind, insgesamt 400 Aktien.

Als Berater von Herrn T. ist anwesend:

Herr Rechtsanwalt M1. S2. aus C3. …

3. …

4. …

von 1.250 Aktien.

…”

Tz. 5 der Zusammenstellung von Fragen des FA für GroßBp vom 14.01.1997 lautet:

„Bitte legen Sie den Anteilsübertragungsvertrag von N. Holding AG, A. (Schweiz) auf die Fa. A1. AG, E4. (Schweiz) vor. Die Höhe des Kaufpreises sind durch weitere Angaben und Unterlagen darzulegen”.

In Tz. 6 der Zusammenstellung von Fragen des FA für GroßBp vom 17.01.1997 heißt es:

„… Aus dem Anteilsübertragungsvertrag vom 13.09.1996 ist ersichtlich, daß das gesamte Stammkapital von 1 Mio. DM von der Fa. A1. AG, G.-straße 1 in E4., T1. auf die Fa. N3. Mineralölhandels GmbH in I2. übertragen wurde. Die fehlenden Anteilsübertragungsverträge sind der Prüfung unverzüglich vorzulegen. …”

Das FA für GroßBp wiederholte in Tz. 3 seiner Zusammenstellung von Fragen vom 30.01.1997 seine Frage vom 17.01.1997.

In dem Schreiben der Steuerberater der XXX vom 06.02.1997 heißt es:

„Übertragung Ante...

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