Entscheidungsstichwort (Thema)

Fünftel-Regelung für im VZ 2000 erzielten Veräußerungsgewinn, verfassungsmäßige unechte Rückwirkung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein im VZ 2000 erzielter Veräußerungsgewinn ist auch dann nach Maßgabe der rückwirkend zum 1.1.1999 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BStBl. I 1999, 304) eingeführten Fünftel-Regelung zu besteuern, wenn die Kündigung einer Unterbeteiligung im Mai 1998 vor Gesetzeseinbringung und -verkündung erfolgte, aber erst im VZ 2000 wirksam wurde. Die rückwirkend angeordnete Ersetzung des halben durchschnittlichen Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 1 EStG a.F. durch die Fünftel-Regelung ist in diesem Fall als sog. unechte Rückwirkung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

EStG VZ 2000 § 34 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 52 Abs. 47; EStG § 16 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.02.2022; Aktenzeichen III R 9/20)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein im Jahr 2000 entstandener Veräußerungsgewinn nach § 16 Einkommensteuergesetz (EStG) der sog. Fünftelregelung oder dem halben Steuersatz unterliegt und ob der rückwirkende Wegfall des halben Steuersatzes mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz vereinbar ist. Kläger sind die Mitglieder der Erbengemeinschaft nach Herrn G U.

Die Eheleute G U und I U wurden im Jahr 2000 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Herr G U verstarb am 06.04.2011. Gesamtrechtsnachfolger wurden als Erben seine Kinder X U, W U, J U, L U und K U. Herr L U verstarb am 18.05.2019, Gesamtrechtsnachfolgerin wurde als Erbin dessen Ehefrau D U.

Herr G U hatte eine Unterbeteiligung an dem Kommanditanteil seiner Tochter Frau N U an der U KG gehalten. Mit Schreiben vom 18.05.1998 kündigte er die Unterbeteiligung zum 30.09.2000; nach § 7 Abs. 3 des notariellen Unterbeteiligungsvertrags vom 26.09.1992 war eine ordentliche Kündigung erstmalig zu diesem Zeitpunkt möglich. Das Auseinandersetzungsguthaben wurde an Herrn G U in den Jahren 2001 bis 2012 in Raten ausgezahlt.

Der Beklagte stellte mit Bescheid für 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 08.02.2005 der U KG einen Veräußerungsgewinn iHv 2.992.231,75 DM (1.529.903,80 EUR) fest. Gegen den Feststellungsbescheid legten die Eheleute U Einspruch ein und wandten sich gegen die Höhe des festgestellten Veräußerungsgewinns. Mit Erlass eines geänderten Gewinnfeststellungsbescheides vom 08.02.2005 erledigte sich dieser Streitpunkt.

Im geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 vom 21.02.2005 der Eheleute U wurde der Veräußerungsgewinn nach § 34 Abs. 1 EStG 2000 der sog. Fünftelregelung unterworfen. Während des laufenden Einspruchsverfahrens erweiterten die Eheleute U ihren Einspruch dahingehend, dass die Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 S. 2 EStG in der Fassung für Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und Art. 20 Abs. 3 GG verstoße.

Das Einspruchsverfahren ruhte sodann mit Verweis auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren 2 BvL 1/03. Mit Beschluss vom 07.07.2010 entschied das Bundesverfassungsgericht in den Verfahren 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 56/06 und 2 BvL 58/06, dass der rückwirkende Wegfall des halben Steuersatzes in Bezug auf Entlassungsentschädigungen bei bestimmten Fallkonstellationen nicht mit den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes vereinbar gewesen sei.

Die Kläger machte daraufhin im Einspruchsverfahren geltend, dass der Veräußerungsgewinn nicht im Jahr 2000, sondern im Jahr 2002 zu versteuern sei, da die Kündigungsregelung in § 7 Abs. 3 des Schenkungs- und Unterbeteiligungsvertrages vom 26.09.1992 unzutreffend ausgelegt worden sei. Die Kläger verwiesen hierzu auf ein im Jahr 2015 geführtes Schiedsverfahren zur Auslegung der wortgleichen Kündigungsregelung eines weiteren Unterbeteiligungsvertrages des Herrn G U. Eine Kündigung sollte danach erstmals zum 30.09.2000 erklärt werden können mit einer Kündigungsfrist von zwei Jahren, so dass der Veräußerungsgewinn aus der Aufgabe der Unterbeteiligung an dem Anteil seiner Tochter an der U KG im Veranlagungszeitraum 2002 zu versteuern sei. Gleichzeitig beantragte die Kläger eine Veranlagung nach § 34 Abs. 3 EStG zum halben Steuersatz im Jahr 2002.

Mit Einspruchsentscheidungen jeweils vom 31.07.2017 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Der Beklagte führte aus, dass die Änderung des § 34 Abs. 1 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 im Streitfall eine unechte, aber verfassungsrechtlich zulässige Rückwirkung entfaltet habe. Herr G U habe seine Unterbeteiligung mit Schreiben vom 18.05.1998 und damit vor Einbringung des Gesetzesentwurfs in den Bundestag am 09.11.1998 gekündigt, sei aber erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zum 30.09.2000 aus der U KG ausgeschieden. Die Grundsätze des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2010 (Az. 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06), der sich ausdrücklich nur auf die Fallgestaltung der einem Arbeitnehmer g...

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