Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzuschätzung von bei Umsätzen und Gewinnen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung löst die Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit aus.

2. Das Ergebnis einer formell ordnungsgemäßen Buchführung kann verworfen werden, soweit dieses mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit materiell unrichtig ist.

 

Normenkette

AO § 162

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine inzwischen aufgelöste Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), wendet sich gegen die aufgrund einer Betriebsprüfung für die Jahre 2001 und 2002 erhobenen Umsatzsteuer- und Gewerbesteuernachforderungen. Streitig sind hierbei Grund und Höhe von Hinzuschätzungen.

Die Klägerin erwarb Anfang des Jahres 2000 den in C. belegenen …-Grill „D.”. Gesellschafter der Klägerin waren zu je 50 v.H. Herr E. A. und dessen Schwester, Frau F. B.. Frau B. schied zum 30.04.2002 aus der GbR aus und verzog nach Griechenland. Herr A. führt den Imbiss seitdem als Einzelunternehmer fort.

Die Besteuerung für die Jahre 2001 und 2002 erfolgte zunächst erklärungsgemäß. Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn durch Bestandsvergleich (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EinkommensteuergesetzEStG –). Die erklärten Bruttoumsätze für das Jahr 2001 betrugen DM …, für das Rumpfwirtschaftsjahr 01.01. bis 30.04.2002 EUR …. Der wirtschaftliche Wareneinsatz belief sich für das Jahr 2001 auf (netto) DM …, für das Jahr 2002 auf EUR ….

In den Jahren 2005/2006 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung u.a. für die Streitjahre 2001 und 2002 statt. Hierbei wurden zum einen Mängel in der Kassenführung festgestellt (Tz. 2.2 des Betriebsprüfungs-Berichts vom 29.06.2006). Zum anderen beanstandete der Prüfer die abgesunkenen Rohgewinnaufschlagsätze von 200 v.H. im Jahr 2000 auf 164 v.H. im Jahr 2001 sowie auf 146 v.H. im Jahr 2002. Zudem stellte er für das Jahr 2001 Differenzen zwischen eingekauften und verkauften Pita-Broten fest (Tz. 2.6 des Berichts). Für das Jahr 2002 konnte die Mittelherkunft für Einlagen in Höhe von EUR … nicht geklärt werden.

Im November 2005, während der Betriebsprüfung, nahm der Prüfer einen Testkauf im jetzigen Einzelunternehmen des Gesellschafters A. vor. Für eine große Gyros-Portion stellte der Prüfer eine Fleischeinlage von 280g, für eine kleine Gyros-Portion eine Fleischeinlage von 180g und für eine Portion Gyros Pita eine Fleischeinlage von 169g fest. Hieraus ermittelte der Prüfer – unter Berücksichtigung der Häufigkeit des Verkaufs der verschiedenen Gerichte – eine durchschnittliche Fleischeinlage von 222g je Portion.

Für das Jahr 2001 verprobte der Prüfer dementsprechend die Erlöse aus den Gyros-Verkäufen und stellte eine Kalkulationsdifferenz in Höhe von ca. DM … fest. Die Kalkulation erfolgte nach Maßgabe folgender Parameter:

Jahresfleischeinkauf für Gyros in kg

abzüglich Bratverlust

27 v.H.

= Fleischmenge

× Portionsgewicht in kg

0.222

= Anzahl Portionen

abzüglich Eigenverbrauch (5 Personen × 244 Tage)

1.220

verkaufte Portionen

Durchschnittspreis brutto für Gyros-Gerichte in DM

Gyros-Umsatz brutto

80 v.H.

Gesamtumsatz brutto

100 v.H.

erklärte Erlöse brutto 7 v.H. Umsatzsteuer

DM ….

erklärte Erlöse brutto 16 v.H. Umsatzsteuer

DM ….

Summe erklärte Erlöse brutto DM ….

Differenz

Aufgrund dieser Kalkulationsdifferenz nahm der Prüfer für die Jahre 2001 und 2002 Sicherheitszuschläge in Höhe von netto DM … (2001) sowie EUR … (2002) vor, und zwar unter Zugrundelegung von Rohgewinnaufschlagsätzen von 185 v.H. im Jahr 2001 und 180 v.H. im Jahr 2002. Den Rohgewinnaufschlagsatz für das Jahr 2001 errechnete der Prüfer – wie er in der mündlichen Verhandlung erläuterte – in der Weise, dass er die kalkulierten Netto-Erlöse ins Verhältnis zu einem Wareneinsatz von DM …. setzte. Hierbei ließ der Prüfer allerdings unberücksichtigt, dass für Zwecke der Ermittlung des wirtschaftlichen Wareneinsatzes statt eines Eigenverbrauchs von DM … ein solcher in Höhe von DM … in Abzug zu bringen war.

Die Spannbreite der Rohgewinnaufschlagsätze für Imbissbetriebe beträgt laut amtlicher Richtsatzsammlung zwischen 117 v.H. und 270 v.H., der amtliche Mittelwert beläuft sich auf 163 v.H.

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am 04.09.2006 geänderte Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Streitjahre.

Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2007 führte der Beklagte aus, eine Hinzuschätzungsbefugnis habe bestanden. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass für das Jahr 2001 erhebliche Differenzen zwischen dem Warenein- und Warenverkauf von Pita-Broten festgestellt worden seien. Pita-Brote seien – wie in der Speisekarte ausgewiesen – mit DM …. bzw. EUR …. in Rechnung gestellt worden. Die Differenzen könnten zudem nicht mit Schwund erklärt werden, da der Betrieb der Klägerin alle zwei bis drei Tage regelmäßig beliefert worden sei.

Zudem sei durch die während der Betriebsprüfung (2005) und des Einspruchsverfahrens (2007) durchgeführten Testkäufe festgestellt worden, dass die ...

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