Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung des Fiskus mit einer Forderung, die erst nach Erlass der EE über den Abrechnungsbescheid abgetreten wurde

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Fiskus ist nicht berechtigt, mit rechtswegfremden Forderungen, die nicht rechtskräftig festgestellt sind und von dem Aufrechnungsgegner bestritten werden, aufzurechnen.

2) Ein Titelumschreibungsverfahren, das nicht zu einer rechtskräftigen Feststellung der Rechteinhaberschaft führen kann, rechtfertigt eine Aufrechnung durch den Fiskus nicht.

3) Bei der gerichtlichen Überprüfung von Abrechnungsbescheiden bleiben Gegenforderungen unberücksichtigt, die erst nach Ergehen der Einspruchsentscheidung auf den Fiskus übergegangen sind.

 

Normenkette

AO § 218 Abs. 2, § 226

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides. Dabei stellt sich im Kern die Frage, ob der Beklagte wirksam mit einer zivilrechtlichen Forderung gegen einen Steuererstattungsanspruch des Klägers aufgerechnet hat.

Der Kläger nahm in den Jahren 2001 und 2002 fünf Darlehen bei der Volksbank N eG (Volksbank) auf (Darlehensverträge mit den Nummern 100 über 000 DM, 101 über 000 DM, 102 über 000 EUR, 103 über 000 DM und 104 über 000 EUR. Die Kredite wurden durch die X-Bank gefördert.

Zudem übernahm der Kläger eine selbstschuldnerische Bürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 000 DM, welches die Volksbank der K- Beteiligungsgesellschaft mbH gewährt hatte.

Die Kredite wurden durch Bürgschaften der B-Bank GmbH (Bürgschaftsbank) gesichert. Zugunsten der Bürgschaftsbank bestanden Rückbürgschaften des Landes Nordrhein-Westfalen (Land NRW) und der Bundesrepublik Deutschland (Bund).

Nachdem der Kläger in Zahlungsschwierigkeiten geraten war, kündigte die Volksbank im November 2005 sämtliche Kredite. Die Bürgschaftsbank stellte im November 2007 für die K-Beteiligungsgesellschaft mbH einen Ausfall in Höhe von 000 EUR fest. Auf der Grundlage der Rückbürgschaften übernahm das Land NRW einen Betrag von 000 EUR und der Bund einen Betrag von 000 EUR.

Die Volksbank führte vor dem Landgericht E-Stadt (LG E-Stadt) zwei Zivilverfahren gegen den Kläger.

In dem Verfahren X/09 nahm die Volksbank den Kläger im Wege der Teilklage auf Rückzahlung jeweils erstrangiger Teilbeträge aus den Darlehensverträgen Nr. 100 (20.000 EUR), Nr. 101 (20.000 EUR) und Nr. 102 (10.000 EUR) in Anspruch. Das LG E-Stadt verurteilte den Kläger rechtskräftig mit Urteil vom xx.yy.2011 zur Zahlung von insgesamt 50.000 EUR und führte in den Entscheidungsgründen aus, die geltend gemachten Forderungen seien nicht verjährt, da die Forderungen im Herbst 2009 anerkannt worden seien.

In dem Verfahren y/09 nahm die Volksbank den Kläger im Wege der Teilklage auf Rückzahlung in Höhe von jeweils 25.000 EUR aus den Darlehensverträgen 103 und 104 in Anspruch. Das LG E-Stadt verurteilte den Kläger rechtskräftig mit Urteil vom xx.yy.2011 zur Zahlung von insgesamt 50.000 EUR.

Der Beklagte führte bei dem Kläger eine Einzelveranlagung durch. Aus dem Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 16.01.2017 ergab sich ein Erstattungsanspruch des Klägers in Höhe von insgesamt 3.322,79 EUR (Einkommensteuer 2015 in Höhe von 2.921 EUR, Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2015 in Höhe von 152,40 EUR und evangelische Kirchensteuer 2015 in Höhe von 249,39 EUR).

Gegen diesen Erstattungsanspruch erklärte der Beklagte – zunächst gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau – die Aufrechnung (Schreiben vom 30.01.2017). Er führte aus, das Land NRW sei aus einer Rückbürgschaft für die Bürgschaftsbank in Anspruch genommen worden. Die Forderung des Kreditinstituts gegen den Kreditnehmer, den Kläger, sei kraft Gesetzes auf das Land NRW übergegangen.

Nachdem der – nunmehr anwaltlich vertretene – Kläger eine aufrechenbare Forderung bestritten und einen Abrechnungsbescheid beantragt hatte, hob der Beklagte die Aufrechnungserklärung vom 30.01.2017 auf (Schreiben vom 07.02.2017) und erklärte mit Schreiben vom 08.02.2017 – nunmehr ausschließlich gegenüber dem Kläger – die Aufrechnung. Er führte an, das Land NRW sei aus einer Rückbürgschaft/Haftungsfreistellung in Anspruch genommen worden, welche für einen Kredit der Volksbank an die K-Beteiligungsgesellschaft mbH bewilligt worden sei. Die Forderung des Kreditinstituts gegen die Kreditnehmer in Höhe von yyyyyy EUR sei nach § 774 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf das Land NRW übergegangen. Der Kläger hafte für diese Forderungen als selbstschuldnerischer Bürge.

Der Kläger beantragte erneut einen Abrechnungsbescheid und machte geltend, der Aufrechnungserklärung könne nicht entnommen werden, wegen welcher Forderungen er in Anspruch genommen werden solle und wie sich der Gläubigerwechsel vollzogen habe. Zudem seien die Ansprüche verjährt, da die Einrede der Verjährung in der Vergangenheit gegenüber der Volksbank und der X-Bank mehrfach erhoben worden sei und erneut erhoben werde. Auch im Hinblick auf die Rechte aus der Bürgschaft werde die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit Abrechnungsbescheid vom 29.08.20...

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