Entscheidungsstichwort (Thema)

Zinsfestsetzung, Zinslauf, Erlass von Nachzahlungszinsen zur ESt bei korrespondierender Schenkungsteuerfestsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung ist kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung, das einen von § 233a Abs. 2 AO abweichenden Beginn des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2 AO begründet. Auch endet der Zinslauf nicht bereits im Zeitpunkt der Einigung, sondern erst am Tag des Wirksamwerdens der Steuerfestsetzung.

2) Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer sind wegen sachlicher Unbilligkeit gemäß § 163 Abs. 1 AO zu erlassen, wenn auf Grund außergewöhnlicher und damit jenseits der gesetzlichen Typisierung liegender Umstände ausgeschlossen ist, dass ein Liquiditätsvorteil eingetreten ist, aus dem Zinserträge erzielt werden konnten. Dies ist der Fall, soweit zwar Einkommensteuer zu niedrig festgesetzt, gleichzeitig aber Schenkungsteuer zu hoch festgesetzt und auch entrichtet wurde.

 

Normenkette

AO § 233a Abs. 2 AO, Abs. 2a AO, § 163 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten sowohl über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung als auch die teilweise Ablehnung des Erlasses von Nachzahlungszinsen betreffend die Einkommensteuer der Jahre 2004 bis 2006.

Die Klägerin erzielt u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Rahmen zweier Einzelunternehmen. In den Streitjahren erhielt sie von Seiten der A-GmbH & Co KG Provisionen, die sie als Betriebseinnahmen erfasste. Entsprechend ihrer Steuererklärung vom 27.07.2006 ermittelte der Beklagte im Jahr 2004 Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 341.474,00 €, entsprechend der Steuererklärung vom 30.05.2007 im Jahr 2005 i.H.v. 454.043,00 € sowie entsprechend der Steuererklärung vom 04.04.2008 im Jahr 2006 i.H.v. 216.453,00 €.

Im Jahre 2008 begann bei der vorgenannten Gesellschaft eine Betriebsprüfung, in deren Zuge Zahlungen an die Klägerin als nicht fremdüblich qualifiziert wurden. Mit Prüfungsanordnung vom 03.02.2009 wurde im Anschluss an diesen Befund eine Außenprüfung bei der Klägerin angeordnet. Entsprechend dem Bericht der Betriebsprüfung der vorgenannten Gesellschaft vertrat auch der Betriebsprüfer der Klägerin die Ansicht, die erhaltenen Provisionszahlungen seien nicht fremdüblich. Entsprechend sei im Jahr 2004 der Gewinn auf einen Betrag i.H.v. 90.925,00 €, im Jahr 2005 i.H.v. 108.101,00 € und im Jahr 2006 i.H.v. 46.005,00 € herabzusetzen. In Höhe der nicht fremdüblichen Provisionszahlungen lägen Schenkungen an die Klägerin vor. Diesem Bericht folgend erließ das Finanzamt (FA) N am 27.07.2009 einen Schenkungsteuerbescheid in entsprechender Höhe und ermittelte eine Schenkungsteuerschuld i.H.v. 349.580,00 €, die die Klägerin auch beglich. Mit Bescheiden vom 30.09.2009 erließ sodann der Beklagte in Umsetzung des Prüfberichts geänderte Einkommensteuerfestsetzungen und ermittelte eine Verringerung der Einkommensteuerschuld um 74.960,00 € für das Streitjahr 2004, um 109.470,00 € für das Streitjahr 2005 und um 49.882,00 € für das Streitjahr 2006. Zugleich setzte er Erstattungszinsen i.H.v. 13.113,00 € für das Jahr 2004, i.H.v. 15.360,00 € für das Jahr 2005 und i.H.v. 4.487,00 € für das Jahr 2006 fest.

Die vorgenannte Gesellschaft legte gegen die an sie gerichteten Änderungsbescheide Einspruch ein und verfolgte ihr Begehren in einem sich anschließenden Klageverfahren vor dem hiesigen Gericht, Az. 12 K 2424/11 G, F, weiter. Im Erörterungstermin vom 31.10.2014 legten die dortigen Beteiligten den Streit im Wege einer einvernehmlichen Lösung bei. Im Protokoll zum Erörterungstermin heißt es:

„In der Sache […] erscheinen:

1. für die Klägerin Herr R in Begleitung von Frau U […]

Die Sach- und Rechtslage wurde nochmals ausführlich mit den Parteien erörtert.

Anschließend erklärten die Parteien: Wir wollen uns einigen. Wir gehen davon aus, dass im Streitjahr 2004 die Provisionszahlungen an Frau U in Höhe von 706.031,00 EURO betrieblich veranlasst sind und insoweit als Betriebsausgaben im Feststellungsbescheid berücksichtigt werden. Für die Streitjahre 2005 und 2006 werden Provisionszahlungen in Höhe von 410.575,00 € sowie in 2006 in Höhe von 187.472,00 € als angemessen erachtet und entsprechend steuerlich berücksichtigt. In den Streitjahren 2005 und 2006 werden die Provisionszahlungen an die Firma W auf jeweils 650.000,00 € begrenzt und insoweit als Betriebsausgaben berücksichtigt.”

In Folge dieser Einigung änderte zunächst das FA N mit Datum vom 22.12.2014 den Schenkungsteuerbescheid und setzte die Schenkungsteuer um 256.300,00 € auf 93.280,00 € herab. Mit weiterem Bescheid vom 16.02.2015 setzte es zugunsten der Klägerin Prozesszinsen i.H.v. 55.105,00 € für den Zeitraum vom 11.07.2011 bis zum 17.02.2015 fest. Sodann änderte der Beklagte mit Bescheiden vom 05.05.2015 die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre und ermittelte für das Jahr 2004 eine Steuernachzahlung i.H.v. 74.960,00 €, für 2005 i.H.v. 81.281,00 € und für 2006 i.H.v. 36.740,00 €. Zugleich berechnete er Nachzahlungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO) i.H.v. 27....

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