Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Steuerbefreiung von Kursen Baby/Kleinkinder-Schwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der BFH hat mit Urteil v. 5.6.2014 (V R 19/13) in den erkennenden Senat bindender Weise entschieden, dass der Stpfl. bezüglich der Leistung der Kleinkinder-Schwimmkurse sich auf die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j Richtlinie 77/388/EWG berufen kann, weil an der Erlernung der Fähigkeiten, schwimmen zu können, ein hohes Gemeinwohlinteresse besteht und zudem die Erlangung dieser Fähigkeit auch in öffentlichen Schulen unterrichtet wird.

2. Die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, sofern diese nicht den Charakter bloßer Freitzeitgestaltung haben. Den streitgegenständlichen Kursen Aqua-Jogging/-Fitness liegt unwiderlegt ein Unterrichtskonzept zu Grunde. Dieses zielt darauf ab, Fähigkeiten zu vermitteln, mit deren Hilfe die Kursteilnehmer präventiv den auf Grund von Bewegungsmangel ihre Gesundheit bedrohenden Gefahren entgegen treten können. Die Kurse dienen dem Gemeinwohl, weil sie einen Beitrag zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit der Kursteilnehmer leisten und sind daher steuerfrei zu belassen.

 

Normenkette

MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. j; UStG § 19 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist im zweiten Rechtsgang, ob für die Veranlagungszeiträume (VZ) 2005 bis 2007 die Umsätze des Klägers (Kl.) mit den Kursen Baby-Schwimmen sowie Kleinkin-der-Schwimmen, ferner Aqua-Jogging und Aqua-Fitness/Aqua-Fit… und ob zusätzlich für den VZ 2007 die Umsätze mit dem Kurs Erwachsenen-Schwimmen umsatzsteuerfrei zu belassen sind.

Im ersten Rechtsgang traf der Senat in seinem Urteil vom 13.12.2011 Finanzgericht (FG) Münster 15 K 1041/08 U (EFG 2012, 985) u.a. folgende Feststellungen:

Der Kl. betrieb ab Juni 2000 eine Schwimmschule, für die er in den Streitjahren über keine Krankenkassenzulassung verfügte. Mit mehreren Arbeitnehmern, überwiegend Physiotherapeuten, führte er Baby-, Kleinkinder-, sonstige Kinder- und Erwachsenen-schwimmkurse sowie Wassergymnastik wie Aqua-Jogging bzw. Aqua-Fitness in Hallenbädern durch, die er vom jeweiligen kommunalen Betreiber angemietet hatte. Die Kursteilnehmer entrichteten für die Kurse an den Kl. ein Entgelt, das auch ein gegebenenfalls auf die Kursteilnehmer entfallendes Eintrittsgeld für die Hallenbadbenutzung umfasste. Auf der Grundlage des § 20 des Sozialgesetzbuches (SGB) V erstatteten die Krankenkassen die für die Aqua-Fitness-Kurse erhobenen Entgelte ganz oder teilweise an die Kursteilnehmer, da die Krankenkassen laut dem Vortrag des Kl. Aqua-Fitness-Kurse als Leistung zur gesundheitlichen Prävention ansahen.

Anders als der Kl. nahm eine für den VZ 2005 durchgeführte USt-Sonderprüfung (Sp, Bericht vom 22.12.2006, Tz. 13) an, dass der Kl. keine steuerfreien Umsätze ausgeführt habe. Es ergingen erstmalig u.a. ein Umsatzsteuer(USt)-Bescheid für 2005 und USt-Vorauszahlungsbescheide für 01/2006 bis 12/2007, in denen das beklagte Finanzamt (Bekl.) die Umsätze des Kl. als steuerpflichtig behandelte. Zur Begründung seines Einspruchs gegen diese Bescheide verwies der Kl. auf Bescheinigungen der AOK, DAK, Barmer Ersatzkasse, BKK …, BKK …, wonach diese auf Antrag ihren Mitgliedern die an den Kl. gezahlten Gebühren ganz bzw. teilweise erstatteten, wobei einige Bescheinigungen als Erstattungsgrundlage § 20 SGB V vermerkten. Zudem trug der Kl. vor, dass er mit seinen Angeboten in Konkurrenz zu vergleichbaren Angeboten von Vereinen und von Volkshochschulen trete, wobei die Finanzverwaltung die Angebote der Volkshochschulen steuerfrei belasse. Der Bekl. wies durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 19.02.2008 den Einspruch u.a. gegen den USt-Bescheid für 2005 und gegen die USt-Vorauszahlungsbescheide für 01/2006 bis12/2007 als unbegründet zurück: Die Umsätze seien weder nach nationalem Recht noch nach der Richtlinie 77/388/EWG bzw. nach der Richtlinie 2006/112/EG – Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) – umsatzsteuerbefreit.

Der Kl. erhob am 20.03.2008 die unter dem Aktenzeichen FG Münster 15 K 1041/08 U geführte Klage wegen der USt 2001 bis 2005 und wegen der USt-Voranmeldungszeiträume 01/2006 bis 12/2007. Mit Schreiben vom 07.04.2008 berichtigte der Bekl. das Rubrum der EE vom 19.02.2008 dahingehend, dass Gegenstand der EE auch die USt-Jahresfestsetzung 2006 gewesen war. Das Verfahren wegen der USt-Voranmeldungen 01/2006 bis 12/2006 wurde daraufhin nach Abtrennung unter dem Aktenzeichen FG Münster 15 K 2383/08 U fortgeführt. Das Verfahren wegen der USt 2001 bis 2004 wurde nach Abtrennung unter dem Aktenzeichen 15 K 3067/09 U fortgeführt. Zuvor hatte der Bekl. mit Bescheiden vom 23.07.2009 die USt für 2001 bis 2004 unter Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) jeweils auf 0 € festgesetzt u...

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