Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitliche mehraktige Berufsausbildung, berufsbegleitende Ausbildung zum „AOK-Betriebswirt”

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten und die nachfolgende berufsbegleitende Ausbildung zum „AOK-Betriebswirt” sind nicht als einheitliche mehraktige Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG anzusehen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, S. 2, § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist das Bestehen eines Kindergeldanspruches der Klägerin für ihre am 00.00.1993 geborene Tochter T M .

Die Tochter der Klägerin absolvierte zunächst die Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse … (AOK). Unmittelbar nach Ausbildungsabschluss im Juni 2016 schloss die Tochter mit der AOK ein unbefristetes Anstellungsverhältnis als Sozialversicherungsfachangestellte mit regelmäßiger Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden. Aufgrund dessen war sie als Sachbearbeiterin im Arbeitgeberservice in N tätig. Noch im selben Monat bewarb sich die Tochter zudem für den berufsbegleitenden Studiengang zur „AOK-Betriebswirtin”, einem unternehmensinternen Studiengang der AOK. Diesbezüglich nahm die Tochter im August 2016 an einem sog. Potenzial-Analyseverfahren der AOK teil, in dem ihre Studieneignung mit „gut” festgestellt wurde, sodass sie bereits zum nächstmöglichen Termin, 01.10.2016, das Studium beginnen konnte.

Mit der AOK schloss die Tochter im September 2016 im Hinblick auf den bevorstehenden Studienbeginn einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag. Darin ist festgehalten, dass die Tochter am zweijährigen Studiengang „AOK-Betriebswirtin” nach der Vorstandsrichtlinie der AOK zur Förderung der beruflichen Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 22.07.2014 in der jeweils geltenden Fassung teilnehme und diese Vorstandsrichtlinie sowie die Studien- und Prüfungsordnung Gegenstand des Arbeitsvertrags würden. Die AOK verpflichtete sich die vorgesehenen Qualifizierungsmaßnahmen durchzuführen, während sich die Tochter der Klägerin verpflichtete, sich an diesen Maßnahmen zu beteiligen, die erforderlichen Leistungsnachweise zu erbringen und sich fristgerecht den Prüfungen zu unterziehen. Der Nachtrag sah ferner vor, dass die Tochter der Klägerin nach erfolgreichem Abschluss des Studiums nach Bedarf und im Rahmen des Zumutbaren auch an einem anderen Dienstort eingesetzt werden kann.

Der Studiengang hat nach Angaben der AOK das Ziel, Mitarbeiter/-innen zu befähigen, erste Führungsaufgaben und herausgehobene Beratungs- und Fachaufgaben wahrzunehmen. Er umfasst innerhalb des zweijährigen Studiums 23 Lehrgangswochen zu jeweils fünf bzw. sechs Tagen und wird als Vollzeitlehrgang in den Bildungszentren AOK durchgeführt. Zeiten der Teilnahme an den Lehrgangsveranstaltungen sind Arbeitszeit und werden entsprechend vergütet. Unterbringung und Verpflegung in den Bildungszentren erfolgen unentgeltlich.

Aus der Studien- und Prüfungsordnung ergibt sich zum Studium (u.a.) das Folgende:

Das Studium umfasst zwei Jahre und maximal 1.000 Seminarstunden (s. § 5 der Studien- und Prüfungsordnung). Das Studium behandelt die Themenschwerpunkte Betriebswirtschaftslehre, Recht, Gesundheitswissenschaften, Management und Marketing. Deren Gewichtung ergibt sich aus den bundeseinheitlichen Studienplänen (s. § 6 der Studien- und Prüfungsordnung). Das Studium besteht aus Seminaren, Eigenstudium und Praxisphasen, die organisatorisch, curricular und didaktisch aufeinander abgestimmt sind. Die Praxisphasen umfassen einen Zeitraum von insgesamt 16 Wochen und werden in folgenden Arbeitsbereichen durchgeführt: Vertrieb, Kosten- und Leistungsmanagement, Controlling, Organisations- und Personalentwicklung (s. § 7 der Studien- und Prüfungsordnung). Während des Studiums sind sieben studienbegleitende Leistungsnachweise zu erbringen und zwar zu den Themen Betriebswirtschaftslehre, Recht, Gesundheitswissenschaften, Management und Marketing (s. § 8 ff. der Studien- und Prüfungsordnung). Das Studium schließt mit einer Studienarbeit und einer mündlichen Prüfung ab (s. §§ 11, 19 ff. der Studien- und Prüfungsordnung).

Ausweislich § 12 der Studien- und Prüfungsordnung verpflichtet sich die AOK, die Studierenden in ihrem Studium zu fördern und sie in den Praxisphasen an verschiedenen Arbeitsplätzen auf ihre künftigen Aufgaben vorzubereiten. Die AOK ermöglicht den Studierenden und diese verpflichten sich, an Seminaren, Projekten, Leistungsnachweisen und Prüfungen teilzunehmen.

Auf den Arbeitsvertrag vom 22.06.2016, den Nachtrag hierzu vom 27.09.2016, die Vorstandsrichtlinie vom 22.07.2014 sowie die dieser anliegende Studien- und Prüfungsordnung und die Bescheinigung der AOK von 10.05.2019 wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Im Dezember 2017 beantragte die Klägerin rückwirkend ab August 2016 Kindergeld für ihre Tochter T M, weil sich die Tochter mit ihrem Studium bei der AOK nunmehr im zweiten Teil einer mehraktigen Berufsausbildung be...

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