Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall der Erbschaftsteuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Veräußerung des Familienheims führt auch dann zum Wegfall der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG, wenn der Auszug auf ärztlichen Rat aufgrund einer Depressionserkrankung erfolgt.

 

Normenkette

ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.12.2021; Aktenzeichen II R 1/21)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin die Steuerbefreiung für ein Familienheim gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) trotz ihres Auszugs aus dem Objekt beanspruchen kann.

Die Klägerin beerbte ihren am 10.03.2017 verstorbenen Ehemann, Herrn T. V., zur Hälfte. Zu ihrem Erwerb von Todes wegen gehörte das hälftige Miteigentum am Einfamilienhaus E-Straße 3 in C-Stadt, das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnt hatte. Sie blieb dort nach dessen Tod zunächst weiterhin wohnen. Mit notariellem Vertrag vom 06.12.2018 veräußerte sie die Immobilie und verpflichtete sich zugleich zur Räumung bis zum 31.03.2019 (UR-Nr. 591/2018 des Notars F. E. in C-Stadt). Am 10.04.2019 meldete sie sich in die Anschrift B-Straße 8 in C-Stadt um. Die von ihr dort bewohnte neu errichtete Eigentumswohnung hatte sie mit Vertrag vom 22.01.2018 vor Fertigstellung erworben.

In ihrer Erbschaftsteuererklärung vom 28.11.2017 (Anlage Steuerbefreiung Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b oder 4c ErbStG)) bezifferte sie den Grundbesitzwert des Familienheims auf 592.568 EUR.

Am 16.02.2018 erging erstmals ein Erbschaftsteuerbescheid, welcher unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) stand. Im März 2018 reichte die Klägerin ein Verkehrswertgutachten des Dipl.-Ing. E. T. vom 12.03.2018 ein, ausweislich dessen das gesamte Objekt E-Straße 3 in C-Stadt am Wertermittlungsstichtag 07.04.2017 einen Verkehrswert von 477.000 EUR hatte.

Der Beklagte änderte die Erbschaftsteuerfestsetzung mit Bescheid vom 19.09.2019 nach § 164 Abs. 2 AO auf einen Betrag von 321.685 EUR; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Ausweislich der Erläuterungen zu diesem Bescheid wurde für das ehemalige Familienheim E-Straße 3 in C-Stadt keine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG gewährt. Der Wertansatz sei mit dem Gutachterwert von 477.000 EUR erfolgt. Inländischer Grundbesitz sei mit dem geschätzten Grundbesitzwert angesetzt worden. Nach Vorliegen des Feststellungsbescheids über einen abweichenden Grundbesitzwert werde der Steuerbescheid von Amts wegen geändert. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b bzw. 4c ErbStG falle mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst als Eigentümer nutze, es sei denn, dass er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert sei.

Den hiergegen erhobenen Einspruch begründete die Klägerin insbesondere damit, dass sie im Todeszeitpunkt bereits hälftige Miteigentümerin des Objekts gewesen sei und sie aus objektiv zwingenden Gründen an der weiteren Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert gewesen sei. Sie sei bereits früher wegen depressiver Auffälligkeiten ärztlich behandelt worden. Nach dem Tod des Ehemannes habe sie wieder unter Depressionen gelitten. Ein Verbleib im Haus sei aus medizinischer Sicht nicht angebracht gewesen. Die Klägerin reichte hierzu eine „Ärztliche Stellungnahme” von Herrn Dr. med. B. G. aus C-Stadt vom 09.09.2019 ein, ausweislich derer die Klägerin nach dem Tod ihres Mannes regelmäßig unter Angstzuständen und emotionalen Belastungen leide, welche durch die Umgebung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses aggraviert würden. Ein weiteres Leben dort sei aus medizinischer Sicht nicht angebracht, da weitere psychische Folgeschäden drohten.

Während des Einspruchsverfahrens wurde der Erbschaftsteuerbescheid am 18.10.2019 geändert und die Erbschaftsteuer auf 268.903 EUR herabgesetzt, wobei der hälftige Wert des Familienheimes mit 201.753 EUR berücksichtigt wurde, angelehnt an die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 10.03.2017 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 02.10.2019. Diese gesonderte Feststellung änderte das beklagte Finanzamt mit Bescheid vom 27.11.2019, in welchem es das ganze Objekt mit 332.991 EUR bewertete.

Dementsprechend verminderte der Beklagte die Erbschaftsteuerfestsetzung in der Einspruchsentscheidung vom 16.01.2020 auf 262.215 EUR unter Berücksichtigung eines hälftigen Wertes des streitgegenständlichen Objekts von 166.495 EUR. Er wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Steuerbefreiung für das Familienheim sei nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 i. V. m. Satz 5 ErbStG entfallen, weil die Klägerin es innerhalb des Zehnjahreszeitraums mit Vertrag vom 06.12.2018 veräußert und damit die Eigentümerstellung auf einen Dritten übertragen habe.

Im Klageverfahren wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Sie erläutert, ihr Ehemann sei für sie überra...

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