Entscheidungsstichwort (Thema)

Au-pair-Tätigkeit im Ausland als Berufsausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

1.) Sprachaufenthalte im Ausland können nur dann als Berufsausbildung im kindergeldrechtlichen Sinne berücksichtigt werden, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden sind oder von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluß auf eine hinreichend gründliche Sprachausbildung rechtfertigt.

2.) Der zeitliche Umfang eines begleitenden Sprachunterrichts muß grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden betragen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.03.2012; Aktenzeichen III R 82/10)

BFH (Urteil vom 15.03.2012; Aktenzeichen III R 82/10)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Au-pair-Tätigkeit im Ausland als Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz (EStG) angesehen werden kann.

Die Klägerin bezog für ihre im Jahr 1987 geborene Tochter C. bis einschließlich November 2007 laufend Kindergeld. C. schloss ihre Schulausbildung im Juli 2007 mit dem Abitur ab. Die Fremdsprache Englisch belegte sie bis Ende des 13. Schuljahres.

Ab dem 30.07.2007 nahm C. für die Dauer eines Jahres an einem Cultural Care Au-pair-Programm in den USA teil. Sie lebte während dieser Zeit bei freier Kost und Logis in einer amerikanischen Gastfamilie in D. (US-Bundesstaat E.). C. hatte hierbei von montags bis freitags die drei Gastkinder im Alter von fünf, zehn und zwölf Jahren zu betreuen. Sie erhielt hierfür ein wöchentliches Taschengeld in Höhe von US-Dollar 157,95. Vorgesehen war, dass C. während ihres Aufenthalts in Teilzeit eine Schule oder eine College zu besuchen hatte, um die englische Sprache zu erlernen. Die Dauer hierfür sollte – so die Bestätigungen des Veranstalters Cultural Care Ltd. vom … 2007 und …2008 – ca. zehn Stunden pro Woche inklusive Vor- und Nacharbeit betragen.

Tatsächlich absolvierte C. während ihres USA-Aufenthalts am College F. in G. (US-Bundesstaat H.) einen „Au Pair Course” sowohl in der Zeit vom 16. bis 18.11.2007 (Bl. 52 der Kindergeldakte) als auch in der Zeit vom 13. bis 15.06.2008 (Bl. 101 der Kindergeldakte). Nach Angaben der Klägerin wurden der Tochter in diesem Kurs u.a. die Unterschiede in der Kindeserziehung zwischen Europa und den USA vermittelt; ferner wurden dort Kinderspiele und Kindermusik in englischer Sprache erlernt. Darüber hinaus bescheinigte der Veranstalter des Au-pair-Programms der Tochter der Klägerin die Teilnahme an einem 32-stündigen bzw. 5-tägigen Au-pair-Training (Bl. 53 der Kindergeldakte). Aus dem zur Gerichtsakte übersandten Stundenplan (Bl. 56 der Gerichtsakte) ist ersichtlich, dass insoweit im Wesentlichen der Umgang mit den zu betreuenden Kindern erlernt werden sollte (Kinderkrankheiten, Sicherheitsfragen, Notfallhandlungen, Kindesentwicklung, etc.) Schließlich bescheinigte die I. Adult Education mit Sitz in J. (US-Bundesstaat E.), dass C. im September 2007 dienstags und donnerstags in der Zeit von 19:00 bis 21:00 Uhr an „Adult Education classes” teilgenommen habe (Bl. 54 der Kindergeldakte). Es handelte sich nach Angaben der Klägerin um einen Englisch-Kurs für Nicht-Muttersprachler, der sich hauptsächlich mit der Grammatik und den Vokabeln des täglichen Lebens befasste. Weiterer theoretisch-systematischer Sprachunterricht erfolgte während des Au-pair-Aufenthalts der Tochter der Klägerin nicht.

Zum Wintersemester 2008/2009 nahm die Tochter der Klägerin ein rechtswissenschaftliches Studium an der Universität K. auf. Im Rahmen des dort angebotenen Programms Law & Language (http:…) nahm C. im vorgenannten Wintersemester an der Einführungslehrveranstaltung „Introduction to Anglo-American Law I” teil (Bl. 104 der Kindergeldakte).

Nach vorheriger Anhörung hob die Familienkasse mit Bescheid vom 14.04.2008 die Kindergeldfestsetzung für C. gegenüber der Klägerin gemäß § 70 Abs. 2 EStG rückwirkend ab August 2007 auf und forderte das für den Zeitraum August bis November 2007 überzahlte Kindergeld von EUR 616 zurück (§ 37 Abs. 2 Abgabenordnung). Unter Bezugnahme auf vorherige Korrespondenz sei – so die Begründung – keine Bescheinigung des Colleges über den theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit Angabe der Dauer und der wöchentlichen Unterrichtsstunden vorgelegt worden. Allein der Besuch einer Schule mit Teilzeitunterricht begründe keinen Anspruch auf Kindergeld.

Im Einspruchsverfahren hob die Klägerin hervor, C. wolle nach ihrem Studium mit internationalem Bezug in einem Aufgabenfeld mit Auslandsbezug tätig werden. Sprachkenntnisse und internationale Erfahrung seien auf dem heutigen Arbeitsmarkt von entscheidender Bedeutung.

Der Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 15.01.2009 führte die Familienkasse im Wesentlichen an, der Auslandsaufenthalt der Tochter stelle keine Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar. Der Umfang des Sprachunterrichts reiche nicht aus, um den Au-pa...

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