Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn das Finanzamt im Steuerbescheid von der Steuererklärung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen abweicht, muss es auf diese Abweichung hinweisen.

2. Wollte der Steuerpflichtige tatsächlich weitere Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung neben der zu berücksichtigenden Absetzung für Abnutzung (AfA) geltend machen und hat er irrtümlich objektiv erkennbar – nur – einen AfA-Betrag in die Steuererklärung eingetragen, so genügt es, wenn das Finanzamt im Steuerbescheid darauf hinweist, dass es abweichend von der Erklärung die AfA entsprechend dem Vorjahreswert angesetzt habe.

3. Der Steuerpflichtige handelt nicht schuldlos, wenn er es versäumt, den Steuerbescheid nach Erhalt kritisch zu überprüfen und es für ihn erkennbar war, dass die von ihm geltend gemachten Aufwendungen gekürzt wurden.

4. Auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung kann sich nicht berufen, wer von dem Rechtsmittel keinen Gebrauch gemacht hat, weil er den anzufechtenden Steuerbescheid irrtümlich für richtig gehalten habe.

 

Normenkette

AO § 121 Abs. 1, § 122 Abs. 2, § 126 Abs. 3, § 157 Abs. 1, § 355 Abs. 1 S. 1, § 110

 

Tatbestand

Streitig ist die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Am 17.09.2018 übermittelte der Kläger dem Beklagten seine elektronisch erstellte Einkommensteuererklärung 2017. Mit der Übermittlung beantragte er die elektronische Bescheiddatenrückübermittlung über das Elster-Portal. Die Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids erfolgte in Papierform.

Im Rahmen des elektronischen Formulars zur Anlage V nahm der Kläger Eintragungen unter der Kategorie „Absetzung für Abnutzung für Gebäude” vor. Sämtliche Eintragungen dieser Kategorie sind mit der Ziffer 33 bezeichnet. Der Kläger setzte Kreuze für „linear” und „wie 2016”. Die Absetzung für Abnutzung (AfA) betrug im Jahr 2016752,00 €. Weiter trug er im unteren Teil zur Ziffer 33 in den Feldern „Werbungskosten” und „Summe abzugsfähige Werbungskosten” jeweils einen Betrag in Höhe von 2.286,00 € ein, ohne diesen näher zu erläutern. Über der Zeile der „Abzugsfähigen Werbungskosten” enthält das elektronische Formular den Hinweis: „Immer ausfüllen, wenn Werbungskosten dieser Aufwandsgruppe beantragt werden” (vgl. Bl. 12 d. Gerichtsakte). Darüber hinaus erklärte der Kläger unter der Ziffer 49 weitere Werbungskosten im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für Fahrtkosten in Höhe von 48,00 €.

Ferner war in der Einkommensteuererklärung unter der Überschrift „Ermittlung und Zuordnung der Einkünfte” im Feld zur Ziffer 23 „Überschuss”) ein Betrag in Höhe von 4.866,00 € eingetragen.

Der Beklagte übernahm den Wert von 2.286,00 € in die Kennziffer 130 der elektronischen Steuererklärung. Unter dieser Kennziffer erfolgte im Datenverarbeitungsprogramm des Beklagten die Veranlagung der Gebäudeabschreibung. Das Datenverarbeitungsprogramm des Beklagten gab sodann den Prüfhinweis RHW 50295 aus, wonach die Höhe der Abschreibungen zu überprüfen sei. Der zuständige Sachbearbeiter importierte die im Dauertatbestand gespeicherten Werte der Abschreibung, die mit 752,00 € hinterlegt waren.

Mit Bescheid vom 02.11.2018 setze der Beklagte die Einkommensteuer 2017 bei einem zu versteuernden Einkommen von 53.356,00 € auf 13.935,00 € fest. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte er eine Gebäudeabschreibung in Höhe von 752,00 € und setzte Einkünfte in Höhe von insgesamt 6.400,00 € an. Die Abweichung wurde im Bescheid wie folgt erläutert: „Die Absetzung für Abnutzung des Vermietungsobjektes wurde entsprechend der gespeicherten Daten mit 752 € berücksichtigt.” Die Erläuterungen zum Bescheid enthielten weiterhin den Hinweis, dass die Ergebnisse der Bearbeitung antragsgemäß zur elektronischen Übermittlung bereitgestellt wurden.

Der Bescheid vom 02.11.2018 wurde, wie vom Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung angegeben, dem Empfangsbevollmächtigten des Klägers, Herrn Steuerberater B, übersandt.

Am 15.02.2019 ging beim Beklagten ein Schreiben des Klägers ein, in dem er darlegte, dass er von einem steuerlichen Berater vertreten werde, der zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 2017 aufgefordert worden sei. Daraufhin habe der Kläger die Steuererklärung selbst erstellt und bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die zu berücksichtigende AfA „wie 2016” angekreuzt: Weiterhin habe er Werbungskosten in Höhe von 2.286,00 € eingetragen. Dabei habe es sich im Programm für ihn optisch so dargestellt, dass die Zeile „Abzugsfähige Werbungskosten” von der AfA getrennt gewesen sei. Bei den 2.286,00 € habe es sich tatsächlich nicht um die AfA gehandelt, sondern um weitere Werbungskosten, die nunmehr unberücksichtigt geblieben seien. Der Bescheid habe zwar die Angabe enthalten, dass die AfA entsprechend der gespeicherten Daten mit 752,00 € berücksichtigt worden sei. Es sei aber kein Hinweis enthalten gewesen, dass die Werbungskosten um 2.286,00 € gekürzt worden seien. ...

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