Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigener Hausstand junger Arbeitnehmer im Elternhaus

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Bei jungen Arbeitnehmern, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen, ist zu vermuten, dass sie im Haus ihrer Eltern bzw. gemeinsam mit ihren Eltern keinen eigenen Hausstand unterhalten.

2) Bei älteren, wirtschaftlich selbständigen, berufstätigen Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist hingegen zu vermuten, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen, so dass ihnen dieser Haushalt als „eigener” zugerechnet werden kann.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Tätigkeit Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung steuerlich anzuerkennen sind.

Nach Abschluss ihrer Schulausbildung absolvierte die am …1992 geborene Klägerin in den Jahren 2013 bis 2015 eine Berufsausbildung zur … in C.. In dieser Zeit wohnte sie in einem angemieteten Zimmer an ihrem Ausbildungsort.

Seit dem 01.09.2015 war die Klägerin für die X. in K. tätig. Ihr Arbeitsvertrag war ursprünglich bis zum 31.08.2018 befristet, da sie zur Vertretung einer Arbeitnehmerin in Mutter- bzw. Elternzeit beschäftigt wurde. Die Klägerin mietete zum 01.01.2016 eine 54 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche, Bad und Kellerraum in K. an. Die Wohnung befand sich in unmittelbarer räumlicher Nähe ihrer Arbeitsstätte bei der X.. Die Klägerin meldete ihre Wohnung in K. beim dortigen Einwohnermeldeamt als Zweitwohnsitz an. Ihren melderechtlichen Hauptwohnsitz hatte die Klägerin wie bisher im Haus ihrer Eltern unter der Anschrift Q.-Straße 01, U..

Nach eigenen Angaben der Klägerin befand sich ihr Lebensmittelpunkt im Streitjahr 2016 nach wie vor an ihrem Heimatort in U.. Mit ihren Eltern vereinbarte die Klägerin eine Kostenbeteiligung in Höhe von 200,00 € pro Monat. Diesen Betrag hat die Klägerin im Streitjahr per Dauerauftrag auf ein Bankkonto ihrer Eltern überwiesen.

Am 01.06.2019 bezog die Klägerin eine andere Wohnung in K., in der sie mit ihrem Lebensgefährten zusammenlebt, den sie nach eigenen Angaben Anfang 2018 kennengelernt hat. Ebenfalls seit dem 01.06.2019 hat die Klägerin ihren Hauptwohnsitz in K. gemeldet. Der befristete Arbeitsvertrag der Klägerin mit der X. lief im März 2020 endgültig aus. Seit dem 01.04.2020 arbeitet die Klägerin für eine … in D..

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 machte die Klägerin bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 9.903,20 € geltend (Fahrtkosten: 1.780,20 €, Unterkunftskosten: 6.667,00 €; Verpflegungsmehraufwand: 1.296,00 €, Telefonkosten: 160,00 €).

Am 13.07.2017 erließ der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für 2016, in welchem er die erklärten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung nicht anerkannte. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Klägerin keinen eigenen Hausstand in U. unterhalten habe.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wies der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 13.11.2017 darauf hin, dass mit der Einspruchsentscheidung eine höhere Einkommensteuer festzusetzen sei, da in dem angefochtenen Bescheid irrtümlich die Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigt seien, welche die Klägerin für die doppelte Haushaltsführung geltend gemacht hatte. Mit Einspruchsentscheidung vom 07.05.2018 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück und setzte die Einkommensteuer von … € auf … € herauf. Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigte der Beklagte Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitstätte in Höhe von 3.308,00 €. Hierbei handelte es sich um die wöchentlichen Familienheimfahrten sowie um zusätzliche Fahrten zwischen K. und U., welche die Klägerin nach eigenen Angaben jeweils innerhalb der Woche zusätzlich zu den Familienheimfahrten unternommen hat.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Ausgaben für die doppelte Haushaltsführung entgegen der Auffassung des Beklagten steuerlich zu berücksichtigen seien. Sie trägt vor, dass sich ihr Lebensmittelpunkt im Streitjahr 2016 in ihrem Heimatort U. befunden habe. Sie habe hier eine aktive Tätigkeit in einem Verein ausgeübt; hier lebten außerdem ihre Familie und Freunde.

Sie, die Klägerin, habe entgegen der Auffassung des Beklagten auch einen eigenen Hausstand in U. unterhalten. Sie sei gemeinsam mit ihren Eltern ein wesentlich bestimmender Teil der Haushaltsführung. Der ursprünglich kleinfamilientypische Haushalt der Eltern habe sich mit zunehmendem Alter und zunehmender Lebenserfahrung der Klägerin in einen gemeinsamen Mehrgenerationenhaushalt entwickelt. Die Klägerin habe das Haus gemeinsam mit ihren Eltern bewohnt und sich wie in einer fremden Wohngemeinschaft an der Haushaltsführung beteiligt. Der Umstand, dass die Klägerin während ihrer A...

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