Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuerhaftung bei nicht ausgeführtem Überweisungsauftrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Geschäftsführer handelt nicht schuldhaft i.S.d. § 69 AO, wenn er den zuständigen Prokuristen des Bereichs "Finanzen und Steuern" anweist, die Lohnsteuer aus vorhandenen Mitteln zu überweisen, die angewiesene Bank den Überweisungsauftrag aber nicht ausführt und unmittelbar danach das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin der Lohnsteuerbeträge eröffnet wird.

2) Die Haftung eines Geschäftsführers für rückständige Lohnsteuern ist ausgeschlossen, wenn die Verfügungen der von ihm vertretenen Gesellschaft unter dem Vorbehalt der Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters stehen und dieser einer entsprechenden Anweisung zur Zahlung der Lohnsteuer nicht zustimmt.

3) Bei einer Haftung für Säumniszuschläge muss der Zeitraum der zugrundeliegenden Säumnis im Haftungsbescheid genannt werden.

 

Normenkette

AO §§ 191, 34 Abs. 1, § 35; BGB § 676a; AO § 69 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides i.S. des § 191 Abs. 1 i.V. mit §§ 69 S. 1, 34 Abs. 1 Abgabeordnung (AO), mit dem das beklagte Finanzamt den Kläger als Geschäftsführer für Lohnsteuerschulden nebst Annexabgaben der Firma A-KG in Anspruch genommen hat.

Die A-KG in XXX war Teil eines Unternehmens in der XXX-Branche unter dem Dach der A-GmbH in YYY. Das Unternehmen unterhielt am Hauptstandort in YYY, am Standort der KG in XXX sowie im Ausland mehrere Produktionsstätten und beschäftigte alleine im Inland mehrere Tausend Mitarbeiter.

Die A-KG schuldet dem Land Nordrhein-Westfalen nach aktuellem Stand Lohnsteuer und Annexabgaben für den Zeitraum März 2009 i.H. von insgesamt 1.XXX.XXX,– EUR (Stand der letzten Berechnung des Beklagten über Lohnsteuer und Annexabgaben vom 15.11.2012; vom Insolvenzverwalter wurden dagegen zuletzt lediglich 9XX.XXX,– EUR angemeldet [Einspruchsverfahren des Insolvenzverwalters ist noch anhängig]).

Über das Vermögen der A-GmbH in YYY sowie über das Vermögen der A-KG in XXX wurde im Jahr 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellten die Geschäftsführer am 08.04.2009. Am gleichen Tage bestellte das Amtsgericht YYY einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen der Insolvenzschuldnerinnen nur noch mit dessen Zustimmung wirksam erfolgen konnten (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Insolvenzordnung – InsO). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschloss das Amtsgericht YYY am 29.06.2009.

Der Kläger war gemeinsam mit Herrn A Geschäftsführer der AA-GmbH, die wiederum zu 100% an der A-Verwaltungs-GmbH in XXX beteiligt war. Letztere war Komplementärin der A-KG. Zugleich waren der Kläger und Herr A zusammen mit Herrn C Geschäftsführer der A-GmbH in YYY.

Die A-KG hatte ihren Geschäftsbetrieb mit Betriebspachtvertrag vom 24.09.1998 an die A-GmbH in YYY verpachtet. Aufgrund eines Betriebsführungsvertrages selben Datums übertrug die A-GmbH die Betriebsführung für den gepachteten Betrieb an die A-KG zurück. Gemäß § 2 Abs. 3 dieses Vertrages nahm die A-KG die Arbeitgeberfunktion wahr. Die Betriebsführung erfolgte im Namen der A-KG, jedoch auf Rechnung der A-GmbH. Sämtlich Kosten im Zusammenhang mit der Betriebsführung wurden der A-KG durch die A-GmbH erstattet (§ 3 des Vertrages).

Die A-GmbH verfügte über mehrere Bankkonten, u.a. bei der D-Bank und bei der P-Bank. Das Konto bei der D-Bank war das zentrale Firmenkonto. Hinsichtlich der Transaktionen und der Entwicklung der Tagessalden im Zeitraum vom 25.03. bis zum 15.04.2009 wird auf die in der Gerichtsakte sowie in den Verwaltungsakten befindlichen Kontoauszüge verwiesen.

Am 26.03.2009 zahlte die A-KG in XXX die Gehälter an ihre Angestellten für März 2009 in voller Höhe aus (die Löhne der „Arbeiter” sollten erst später ausgezahlt werden). Mit Lohnsteueranmeldung vom 07.04.2009 meldete die A-KG für den Zeitraum März 2009 Lohnsteuer nebst Annexabgaben i.H. von 1.XXX.XXX,– EUR an. Die Lohnsteueranmeldung ging am 08.04.2009 beim Beklagten ein. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gab der Insolvenzverwalter mehrfach korrigierte Lohnsteueranmeldungen für den Streitzeitraum ab.

Die Geschehnisse in den letzten Tagen vor der Insolvenzantragsstellung lassen sich nach dem (vom Beklagten nicht bestrittenen) Vortrag des Klägers unter Bezugnahme auf ein Gedächtnisprotokoll vom 09.04.2009 wie folgt zusammen fassen:

Am 06.04.2009 fand eine Geschäftsführersitzung bei der A-GmbH statt. Daran nahmen neben den Geschäftsführern (Kläger, Herr A und Herr C) der Prokurist Herr Dr. Z (Leiter Abteilung Finanzen, Rechnungswesen und Steuern), dessen Mitarbeiter Herr M und Herr S (Treasury / Kasse), Frau L (Sachbearbeiterin Personal) sowie Herr O (anwaltlicher Berater aus der Kanzlei Dr. W und Partner) teil. Im Rahmen der Geschäftsführersitzung verschafften sich die Teilnehmer zunächst einen Überblick über die Liquiditätssituation des Unternehmens. Sodann wiesen die Geschäftsführer Herrn Dr. Z an, alle Mittel bei der D-B...

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