Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei einstweiligen Rechtsschutz wegen geringfügiger Säumniszuschläge

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über geringfügige steuerliche Nebenleistungen ist ein Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen, wenn bei objektiver Betrachtung ein Interesse als so gering anzusehen ist, dass es nicht die Inanspruchnahme der staatlichen Rechtsschutzeinrichtungen rechtfertigt. Dies ist – auch ohne normierte allgemeine Bagatellgrenze für steuerliche Nebenleistungen – der Fall, wenn der streitige Betrag (hier: Säumniszuschlag i.H.v. 4,50 €) die Bagatellgrenzen der Kleinbetragsverordnung unterschreitet und die ersatzfähigen Kosten der Rechtsverfolgung ein Vielfaches (hier: das Fünfundzwanzigfache) der zu erstreitende Summe betragen würden.

 

Normenkette

KBV § 2; AO § 240 Abs. 1

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren um die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids, und zwar um die Höhe der in Ansatz gebrachten Säumniszuschläge.

Auf Antrag der Antragstellerin erteilte der Antragsgegner einen Abrechnungsbescheid datierend auf den 9.11.2021, in dem er einen Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer 2020 i. H. von 4,50 EUR feststellte. Der Säumniszuschlag ist ausweislich des Abrechnungsbescheids in voller Höhe bezahlt worden. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden ist, und beantragte Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung, dass die Erhebung der Säumniszuschläge verfassungswidrig sei. Mit Verfügung vom 18.1.2022 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

Am 21.2.2022 hat die Antragstellerin gerichtliche Aussetzung der Vollziehung beantragt und zur Begründung auf den Beschluss des Finanzgerichts (FG) Münster vom 16.2.2021 12 V 16/21 AO (Sammlung der Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2021, 914, mit Anm. Kaufhold) verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt wörtlich,

Aussetzung der Vollziehung.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Höhe der Säumniszuschläge bestehen würden.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Der Antrag ist unzulässig.

Dem Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn die mit der betreffenden Rechtsschutzhandlung verfolgten Interessen nach objektivem prozessrechtlichen Werturteil des begehrten Rechtsschutzes fähig, bedürftig und würdig erscheinen (vgl. Reichsgericht, Urteil vom 21. April 1939, Az. VII 231/37; bestätigt durch: BGH, Urteil vom 20. November 1956 VI ZR 238/55, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1957, 303). Nicht schutzwürdig ist ein Interesse, das nach allgemeiner Anschauung als so gering anzusehen ist, dass es nicht die Inanspruchnahme der staatlichen Rechtsschutzeinrichtungen rechtfertigt (Sozialgericht (SG) Nordhausen, Beschluss vom 27.7.2012 S 12 AS 6845/10, Rn. 2, juris, m. w. N.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann im vorliegenden Streitfall ein Rechtsschutzbedürfnis nicht aufgezeigt werden. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin – abweichend von ihrem unzutreffend formulierten Antrag – die Aufhebung – nicht die Aussetzung – der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids über einen Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer 2020 i. H. von 4,50 EUR. Konkret greift die Antragstellerin sogar nur die Verfassungsgemäßheit des in diesem Säumniszuschlag enthaltenen Zinsanteils an, der bislang weder gesetzlich noch durch die Rechtsprechung eine nähere Bestimmung erfahren hat, so dass letztlich von der Antragstellerin selbst nur ein erheblich unter 4,50 EUR liegender Betrag als rechtswidrig erachtet wird.

a) Bei objektiver Sicht auf dieses Antragsbegehren ist ein berechtigtes Interesse nicht gegeben. Zwar enthält die anzuwendende Verfahrensordnung keine allgemeine Bagatellgrenze für die Einlegung eines Rechtsbehelfs. Durch die Kleinbetragsverordnung in der Fassung vom 18.7.2016 (KBV) ist jedoch bestimmt, dass die Festsetzungen der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer), Grunderwerbsteuer sowie der Rennwett- und Lotteriesteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KBV) nur geändert oder berichtigt werden, wenn die Abweichung von der bisherigen Festsetzung mindestens 10 EUR (zugunsten) bzw. 25 EUR (zulasten) des Steuerpflichten beträgt. Für den Gewerbesteuermessbetrag (§ 2 KBV) liegen diese Grenzen bei 2 EUR (zugunsten) bzw. 5 EUR zulasten des Steuerpflichtigen, sodass bei einem durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz in Deutschland von etwa 400 % eine Änderung bei einer Zahllastauswirkung von bis zu 8 EUR bzw. 20 EUR ausgeschlossen wird. Für die Feststellung von Einkünften, die Rückforderung von Wohnungsbauprämien und die Kraftfahrzeugsteuer enthalten die §§ 3 bis 5 KBV ähnlich wirkende Vorgaben. Für steuerliche Nebenleistungen – wie im Streitfall der Säumniszuschlag – ist keine allgemeine Bagatellgrenze normiert, unterhalb derer der Steuerpflichti...

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