Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlagebeschluss: Rückwirkende Anwendung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG verfassungsgemäß?

 

Leitsatz (redaktionell)

Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob der durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003 (BGBl. I 2003, 2840) angefügte § 43 KAGG insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG) verstößt, als darin die rückwirkende Anwendung des gleichzeitig angefügten § 40a Abs. 1 Satz 1 KAGG auf alle noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen angeordnet worden ist, und dies zur Folge hat, dass Teilwertabschreibungen auf Anteile an Aktienfonds den steuerlichen Gewinn auch des Veranlagungszeitraums 2002 nicht mehr mindern durften.

 

Normenkette

KAGG § 40a Abs. 1 S. 2; GG Art. 20, 2 Abs. 1; KStG 2002 § 8b Abs. 2-3; KAGG § 43 Abs. 18

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 17.12.2013; Aktenzeichen 1 BvL 5/08)

 

Tatbestand

A.

Sachverhalt und Verfahrensstand

Streitig ist, ob ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes – GG –) darin zu sehen ist, dass durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (Korb-II-Gesetz) vom 22. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2840) in § 43 Abs. 18 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) die rückwirkende Anwendung des ebenfalls durch das Korb-II-Gesetz angefügten § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG auf alle noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen angeordnet worden ist. Die gesetzliche Neuregelung hatte u.a. zur Folge, dass Teilwertabschreibungen auf Anteile an Aktienfonds den steuerlichen Gewinn nicht mehr mindern durften.

Die Klägerin, eine eingetragene Genossenschaft, ist zum 1. Januar 2003 durch Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der X-Bank (Bank) geworden. Die Bank hielt in ihrem Umlaufvermögen als Liquiditätsreserve Anteile an den Investmentfonds X-Fonds (Fonds I) und Y-Fonds (Fonds II). Zum Wertpapier-Sondervermögen dieser Investmentfonds gehörten vor allem Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften. Zum 31. Dezember des Streitjahres 2002 waren die Börsenkurse der Anteilscheine unter die jeweiligen Buchwerte gesunken, so dass die Bank in ihrer Handelsbilanz Abschreibungen wie folgt vornahm:

Zahl der

Börsenkurs

Kurswert

bisheriger

Abschreibung

Anteile

31.12.2002

31.12.2002

Buchwert

Handelsbilanz

Fonds I

8.157

33,38 EUR

272.280,66 EUR

502.471,20 EUR

230.190,54 EUR

Fonds II

22.274,146

40,19 EUR

895.197,93 EUR

1.057.650,92 EUR

162.452,99 EUR

Summe

392.643,53 EUR

Die Höhe dieser Beträge und die Berechtigung zur Vornahme einer Abschreibung in der Handelsbilanz ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Unstreitig ist ferner, dass diese Abschreibungen nur teilweise in die Steuerbilanz zu übernehmen sind, weil die Kurswerte bis zum Tag der Aufstellung der Steuerbilanz wieder geringfügig angestiegen waren und die Wertminderung daher insoweit nicht als „voraussichtlich dauernd” i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen ist:

steuerlich

steuerlich

Mehrbetrag

Abschreibung

maßgebender

maßgebender

gegenüber

Steuerbilanz

Börsenkurs

Kurswert

Handelsbilanz

Fonds I

35,45 EUR

289.165,65 EUR

16.884,99 EUR

213.305,55 EUR

Fonds II

41,01 EUR

913.462,73 EUR

18.264,80 EUR

144.188,18 EUR

Summe

357.493,73 EUR

Die Bank stellte ihren handelsrechtlichen Jahresabschluss für das Jahr 2002 am 14. Januar 2003 und ihre Steuerbilanz am 10. Juli 2003 auf. Sie reichte ihre Körperschaftsteuererklärung am 12. August 2003 beim Beklagten (dem Finanzamt – FA –) ein. Darin hatte sie die Teilwertabschreibung in dem oben dargestellten Umfang auch bei der Ermittlung ihres steuerlichen Gewinns berücksichtigt. Das FA folgte den Angaben in der Steuererklärung und setzte die Körperschaftsteuer 2002 mit Bescheid vom 22. Oktober 2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 95.509 EUR fest.

Nach der Verabschiedung des Korb-II-Gesetzes reichte die – mittlerweile zur Gesamtrechtsnachfolgerin der Bank gewordene – Klägerin für die Bank am 1. März 2004 eine geänderte Körperschaftsteuererklärung für 2002 ein. Darin erhöhte sie den von der Bank erklärten Gewinn um die in den Jahren 2001 und 2002 vorgenommenen Teilwertabschreibungen (674.592,95 EUR abzüglich des zusätzlichen Gewerbesteueraufwands), kündigte aber zugleich einen Einspruch gegen die zu erwartenden Änderungsbescheide an. Das FA erließ am 27. April 2004 einen entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheid, den es auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) stützte und in dem die Steuer auf 228.016 EUR festgesetzt wurde.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 14. Mai 2004 Einspruch ein. Sie machte geltend, die Rückwirkung sei verfassungswidrig.

Während des Einspruchsverfahrens fand bei der Bank eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer vertrat unter Hinweis auf das Korb-II-Gesetz die Auffassung, die steuerliche Berücksichtigung der Teilwertabschreibung sei ausgeschlossen, soweit sie...

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