Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erstattung von Aufwendungen für Privatgutachten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn in einem finanzgerichtlichen Verfahren, in welchem um Hinzuschätzungen zum wirtschaftlichen Umsatz gestritten wird, vom Kläger ein Gutachten über eine Nachkalkulation eingeholt wird, sind die Kosten hierfür nicht erstattungsfähig.

2. Privatgutachten sind nur ausnahmsweise erstattungsfähig, weil die Beteiligten die Einholung eines Gutachtens durch das Gericht anregen oder einen entsprechenden Beweisantrag stellen können.

3. Für die Anwendung verschiedener Schätzungsmethoden (z.B. einer Nachkalkulation oder Geldverkehrsrechnung) kann zudem ein gerichtseigener Prüfer herangezogen werden.

 

Normenkette

FGO § 139 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

I.

Die Erinnerungsführerin betreibt ein Restaurant. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung, während der die Erinnerungsführerin bereits von ihren Prozessbevollmächtigten vertreten wurde – kam es zum Streit über Hinzuschätzungen dem Grunde und der Höhe nach. Die Betriebsprüfung hatte Einnahmen hinzugeschätzt, indem sie einen Sicherheitszuschlag von 10 % auf den wirtschaftlichen Umsatz vorgenommen und überprüft hatte, ob der sich nach Sicherheitszuschlag ergebende Rohgewinnaufschlagsatz innerhalb der Bandbreite der Rohgewinnaufschlagsätze laut amtlicher Richtsatzsammlung hielt. Die Erinnerungsführerin beauftragte im Einspruchsverfahren eine Beratungsgesellschaft mit einem Gutachten über eine Nachkalkulation der Einnahmen.

Es wurden drei Klagen (wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag erhoben), die durch das Gericht zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden. Im Klageverfahren wurde das Kalkulationsgutachten fertiggestellt und vorgelegt. Der Berichterstatter machte darauf aufbauend – mit mehreren Modifikationen – einen Vorschlag für eine tatsächliche Verständigung. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat trafen die Erinnerungsführerin und der Erinnerungsgegner nach Anhörung der Gesellschafter der Erinnerungsführerin auf Vorschlag des Gerichts eine tatsächliche Verständigung, die (rechnerisch) auf dem Gutachten fußte. Die Kosten des Verfahrens wurden der Erinnerungsführerin zu 10 % und dem Erinnerungsgegner zu 90 % auferlegt.

Im Kostenfestsetzungsantrag vom 22.10.2021 beantragte die Erinnerungsführerin unter anderem die (quotale) Erstattung von je zwei Geschäftsgebühren für die vorgerichtliche Beratung für jede der drei Klagen, nämlich für das „vorausgegangene Verfahren” und das „Nachprüfungsverfahren”, sowie die (quotale) Erstattung mehrerer Rechnungen der Beratungsgesellschaft in Höhe von insgesamt 15.471,25 EUR netto für das im Klageverfahren vorgelegte Kalkulationsgutachten. Der Erinnerungsgegner trat sowohl der Erstattung von je zwei Geschäftsgebühren für das vorgerichtliche Verfahren als auch der Erstattung des Aufwands für das Kalkulationsgutachten entgegen.

Mit Beschluss vom 27.01.2021 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Kosten fest und lehnte den Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der jeweils zweiten Geschäftsgebühr für das Vorverfahren und hinsichtlich der Kosten für das Gutachten ab. Der Senat hatte mit Beschluss vom gleichen Tag festgestellt, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig war.

Mit der gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss gerichteten Erinnerung, der der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat, macht die Erinnerungsführerin zum einen geltend, die Geschäftsgebühr für die Vertretung im Verfahren vor Erlass der Bescheide gehöre auch zum „Vorverfahren”. Aus dem Zuziehungsbeschluss ergebe sich nicht, dass sich dieser nur auf ein Vorverfahren beziehe. Er werde beantragt, klarstellend festzustellen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren, betreffend die Vertretung im Verfahren vor dem Erlass des angefochtenen Bescheides und dem außergerichtlichen Nachprüfungsverfahren notwendig war. Zum anderen macht sie geltend, das Privatgutachten sei erstattungsfähig, weil die Erinnerungsführerin mangels eigener Sachkunde nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage gewesen sei.

Die Erinnerungsführerin beantragte am 21.07.2021 die Erstattung weiterer Kosten, nämlich für einen Steuerberater für die Beratung bei der Betriebsprüfung und im Einspruchsverfahren. Diesen Antrag nahm sie später zurück.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Erinnerung ist unbegründet.

Die Kosten für die Vertretung während der Betriebsprüfung und in dem dem Erlass der angefochtenen Bescheide vorgelagerten Verwaltungsverfahren sind nicht erstattungsfähig. Erstattungsfähig sind allein die Kosten für die Vertretung im Einspruchsverfahren (in der Terminologie der Erinnerungsführerin: Nachprüfungsverfahren). Vorverfahren im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist das Vorverfahren im Sinne des § 44 FGO, also das der Klage vorangegangene und der Überprüfung eines Bescheids durch die Verwaltung dienende Verfahren (...

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