Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuerliche Folgerungen aus der Ausgliederung eines grundbesitzenden Einzelunternehmens in eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auf welchen Lebenssachverhalt ein Steuerbescheid Bezug nimmt und diesen damit zum Regelungsgegenstand macht, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.

2. Bei der Ausgliederung eines Unternehmens in eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft handelt es sich um eine Umwandlung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG i.V.m. § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG.

3. Die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG gilt für alle Umwandlungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GrEStG.

 

Normenkette

BGB § 157; AO § 119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 S. 2; GrEStG § 1 Abs. 1, 3, § 6a; UmwG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 3 Nr. 2, § 124 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 135 Abs. 1; BGB § 133

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob bei der Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründenden Kapitalgesellschaft die Begünstigungsvorschrift des § 6a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) Anwendung findet.

Herr N war Alleineigentümer mehrerer Grundstücke im Bezirk des Antragsgegners, die er im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens mit dem Gegenstand Vermietung und Verpachtung von Gewerbeobjekten und Betriebsausstattung hielt. Er war als Einzelkaufmann im Handelsregister eingetragen. Mit Vertrag vom 17.03.2021 (Urkundenrolle Nummer 00/2021 der Notarin O, L) gliederte er sein Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva gemäß §§ 152, 158 ff., 123 ff. Umwandlungsgesetz (UmwG) auf die im Zuge der Ausgliederung gegründete Antragstellerin aus. Hinsichtlich der zum Teil zum Betriebsvermögen und zum Teil zum Privatvermögen gehörenden Grundstücke wurden im Zuge der Ausgliederung zur Neugründung jeweils zwei entsprechende Miteigentumsanteile begründet und der „betriebliche Miteigentumsanteil” auf die Antragstellerin übertragen. Mitübertragen wurden auch die Anteile an der A GmbH, die Alleingesellschafterin weiterer, teils grundbesitzender Kapitalgesellschaften war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 17.03.2021 Bezug genommen. Sämtliche vom Ausgliederungsvorgang betroffenen Grundstücke liegen im Bezirk des Antragsgegners.

Die Antragstellerin wurde am 28.04.2021 in das Handelsregister eingetragen. Am 28.05.2021 erfolgte die Eintragung der Ausgliederung im Handelsregister des Sitzes des Einzelunternehmens.

In einem Schreiben des Antragsgegners an die Notarin vom 22.07.2021 – das diese ausweislich der vom Bevollmächtigten der Antragstellerin erstellten Antwort an die Antragstellerin weitergeleitet hat – heißt es (anlässlich der Anforderung von Unterlagen zur A GmbH) unter dem Betreff „Ausgliederungsvertrag N auf die E GmbH vom 17.03.2021”, Herr N habe seinen „gesamten, unter HRA 0000 im Handelsregister eingetragenen Betrieb” auf die Antragstellerin übertragen. Diese Übertragung sei mit Eintrag im Handelsregister am 28.05.2021 wirksam geworden.

Aus den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten und darin befindlichen handschriftlichen Notizen und Markierungen geht hervor, dass der Sachbearbeiter des Antragsgegners davon ausging, dass Erwerbsvorgänge gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 und § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorliegen und Besteuerungszeitpunkt der 28.05.2021 ist.

Mit Bescheid vom 10.12.2021 setzte der Antragsgegner Grunderwerbsteuer in Höhe von X EUR fest. Der Bescheid nimmt auf den als „Kaufvertrag” bezeichneten Vertrag vom 17.03.2021 und dessen Datum Bezug; die nachfolgende Eintragung in das Handelsregister erwähnt der Bescheid nicht. In den Erläuterungen zur Steuerfestsetzung (Ziffer 4. des Bescheids) ist von „Ausgliederung” und „Übertragung der Beteiligung an der A GmbH” die Rede. Die Bemessungsgrundlage sei geschätzt worden. Die Grundbesitzwerte seien noch gesondert festzustellen. In den dem Gericht vorgelegten Akten befindet sich keine den Besteuerungsstichtag ausweisende Anforderung der Grundbesitzwerte.

Gegen den Bescheid vom 10.12.2021 legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Sie trug zur Begründung im Wesentlichen vor: Es seien zwar die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfüllt. Die Erwerbsvorgänge seien aber nach § 6a GrEStG steuerfrei. Das Sächsische Finanzgericht habe entschieden, dass diese Vorschrift auch auf die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft Anwendung finde (Urteil vom 30.06.2021, 2 K 121/21). Gegen dieses Urteil habe die Finanzverwaltung Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Es genüge auch, dass die Antragstellerin selbst wirtschaftlich tätig sei; Herr N müsse kein Unternehmer sein (Verweis auf Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 25.11.2015, II R 63/14). Die Verwaltungsauffassung, dass § 6a GrEStG auf Fälle der Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft keine Anwendung finde (Ländererlasse vom 22.09.2022, Tz. 2.1), stehe im Widerspruch zu...

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