rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuerhaftung der Geschäftsführerin einer insolventen GmbH. pauschale Nachversteuerung von Sachbezügen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer (und der weiteren Lohnabzugsbeträge) zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten stellt regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar.

2. Sind die streitgegenständlichen Lohnsteuerabzugsbeträge zur Insolvenztabelle festgestellt, kommen weitere Ermittlungen – auch des Gerichts – zur Höhe des Steuerausfalls und damit zur möglichen Höhe der Haftungssumme im Hinblick auf die Tatbestandswirkung des Tabelleneintrags nach § 178 Abs. 3 InsO nicht in Betracht.

3. Weder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH noch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt entbinden den Geschäftsführer von der Verpflichtung zur Abführung der Lohnsteuer bzw. der weiteren Lohnabzugsbeträge in zutreffender Höhe.

4. Der Grundsatz der anteiligen Tilgung findet bei der Lohnsteuerhaftung keine Anwendung. Das gilt auch, soweit die Steuerschuld darauf beruht, dass im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bislang unversteuert gebliebene Sachbezüge festgestellt und durch Nachforderungsbescheid pauschal nachversteuert wurden.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1, §§ 69, 34 Abs. 1; EStG § 40 Abs. 2; InsO § 178 Abs. 3, § 21 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.12.2021; Aktenzeichen VII R 32/20)

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid (…) über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge sowie Säumniszuschläge für die Zeit vom September 2014 bis Juni 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom (…) wird insoweit geändert, als die über (…) EUR hinausgehende Haftung für Säumniszuschläge zur Lohnsteuer sowie die über (…) EUR hinausgehende Haftung für Säumniszuschläge zum Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer aufgehoben wird.

2. Der Haftungsbescheid (…) über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge sowie Säumniszuschläge für Dezember 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom (…) wird insoweit geändert, als die über (…) EUR hinausgehende Haftung für Säumniszuschläge zur Lohnsteuer aufgehoben wird.

3. Der Haftungsbescheid vom (…) über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge sowie Säumniszuschläge für Januar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom (…) wird insoweit geändert, als die über (…) EUR hinausgehende Haftung für Säumniszuschläge zur Lohnsteuer sowie die über (…) EUR hinausgehende Haftung für Säumniszuschläge zum Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer aufgehoben wird.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu (…) % und der Beklagte zu (…) %.

6. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

7. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

8. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Haftung für Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge sowie Säumniszuschläge für den Zeitraum September 2014 bis Juni 2017, Dezember 2017 und Januar 2018.

Die Klägerin war seit Gründung (…) alleinige Geschäftsführerin der … GmbH. (…)

Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH für den Zeitraum September 2014 bis Juni 2017 wurde festgestellt, dass für Juli 2015 bis Juni 2017 für die private Nutzung eines Firmen-KfZ durch die Klägerin keine Lohnsteuer angemeldet, einbehalten und abgeführt worden war. Ferner setzte der Prüfer für den Zeitraum Januar 2015 bis Juni 2017 einen geschätzten Anteil von an die Arbeitnehmer (…) der GmbH erstatteten Verpflegungsmehraufwendungen, die bisher in vollem Umfang als steuerfrei behandelt worden waren, als steuerpflichtig an. (…)

Der Beklagte (das Finanzamt) führte in Umsetzung der Feststellungen des Prüfers im Einvernehmen mit der GmbH eine pauschale Nachversteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) bzw. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nummer 4 EStG durch und setzte mit Nachforderungsbescheid vom 9. März 2018 (…) Lohnsteuer in Höhe von (…) EUR bzw. Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer in Höhe von (…) EUR fest. Die Steuern waren am 12. April 2018 fällig.

Für den Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum Dezember 2017 und Januar 2018 meldete die GmbH zwar zum Fälligkeitszeitpunkt (10. Januar bzw. 12. Februar 2018) noch Lohnabzugsbeträge an (…), führte diese jedoch für Dezember 2017 (teilweise) in Höhe von (…) EUR (Lohnsteuer) und (…) EUR (Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer) bzw. für Januar 2018 in voller Höhe (Lohnsteuer in Höhe von […] EUR und Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer in Höhe von […] EUR) nicht mehr ab.

Mit berichtigter Lohnsteuer-Anmeldung vom 12. April 2018 für Februar 2018 wurde mitgeteilt, dass keine Lohnzahlung mehr durch die GmbH erfolgt sei (…).

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