rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzuziehung trotz Festsetzungsverjährung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für eine Hinzuziehung nach § 174 Abs. 5 S. 2 i.V.m. Abs. 4 AO reicht es aus, dass möglicherweise aus einem einheitlichen Lebensvorgang steuerrechtliche Folgen für eine Steuer sowohl beim Steuerpflichtigen als auch bei dem Dritten zu ziehen sind.

2. Die Hinzuziehung eines Dritten ist grundsätzlich nur vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die gegen ihn gerichteten steuerlichen Ansprüche zulässig, weil er dann noch nicht auf die Bestandskraft der ihm gegenüber erfolgten oder ggf. unterbliebenen Besteuerung vertrauen darf.

3. Eine schützenswerte Vertrauensposition ist ebenfalls nicht gegeben, wenn der Dritte bereits i. S. d. § 174 Abs. 5 S. 1 AO an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt war. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn er Verfahrensbeteiligter i. S. d. § 359 AO war, sondern auch dann, wenn er durch eigene verfahrensrechtliche Initiative auf die Aufhebung oder Änderung des Bescheides hingewirkt hat, z. B. indem er den entsprechenden Aufhebungs- oder Änderungsantrag gestellt hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige bereits vor seiner Hinzuziehung als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer am Einspruchsverfahren der GmbH beteiligt war.

 

Normenkette

AO § 174 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.02.2015; Aktenzeichen V R 42/14)

BFH (Urteil vom 12.02.2015; Aktenzeichen V R 42/14)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Hinzuziehung des Klägers zum Einspruchsverfahren der X-GmbH die Festsetzungsverjährung entgegensteht.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren als Einzelunternehmer steuerpflichtige Umsätze aus dem Betrieb einer Landwirtschaft sowie aus der Verpachtung von Gebäuden und Anlagen des landwirtschaftlichen Betriebs an die GmbH. Er war zu 51 % an der GmbH beteiligt und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Seine Ehefrau war zu 49 % an der GmbH beteiligt und ebenfalls einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin.

Die Umsätze des Klägers aus dem Betrieb der Landwirtschaft unterlagen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG). Seine Lieferungen an die GmbH wurden mit 9 % der Besteuerung unterworfen. Die Umsätze aus der Verpachtung unterlagen der Regelbesteuerung. Die in den gegenüber der GmbH ausgestellten Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge wurden von dieser als Vorsteuerbeträge abgezogen.

Nach einer beim Kläger und bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte (das Finanzamt) die Auffassung, dass zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und der GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft bestehe. Bei den Umsätzen zwischen dem Kläger und der GmbH handle es sich demnach um nicht steuerbare Innenumsätze mit der Folge, dass die GmbH nicht zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Klägers berechtigt sei und die Umsätze der GmbH dem Kläger als Organträger zugerechnet werden müssten (vgl. Prüfungsbericht betreffend den Kläger vom 29. Oktober 2008).

Das Finanzamt erließ deshalb am 9. Januar 2009 gegenüber dem Kläger Änderungsbescheide, mit denen es ihm für die Streitjahre insgesamt 542.096,– EUR Umsatzsteuer zzgl. Zinsen erstattete. Im Gegenzug wurde mit Änderungsbescheiden vom 20. Januar 2009 von der GmbH für die Streitjahre Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 672.165,– EUR zzgl. Zinsen nachgefordert.

Während der Kläger keinen Einspruch einlegte, legte die GmbH, die ebenfalls vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vertreten wird, gegen die Nachforderungsbescheide vom 20. Januar 2009 mit Schreiben vom 23. Februar 2009 jeweils Einspruch ein und beantragte eine Rückabwicklung der Organschaft.

Im Einspruchsverfahren betreffend die GmbH einigte man sich nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage darauf, dass zwischen dem Kläger und der GmbH doch keine Organschaft vorliege (vgl. Geänderter Prüfungsbericht vom 5. Juli 2010 und Prüfungsbericht für die Jahre 2004 bis 2007 vom 12. Juli 2010).

Infolgedessen erstattet das Finanzamt der GmbH mit Änderungsbescheiden vom 7. September 2010 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 766.394,– EUR zzgl. Zinsen, nachdem der Kläger zuvor mit Bescheid vom 24. August 2010 gemäß § 174 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) zum Einspruchsverfahren der GmbH hinzugezogen worden war.

Anschließend erließ das Finanzamt gegenüber dem Kläger am 15. September 2010 nach § 174 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, mit denen für die Streitjahre Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 527.119,– EUR zzgl. Zinsen nachgefordert wurde.

Die gegen die Änderungsbescheide vom 15. September 2010 und den Hinzuziehungsbescheid vom 24. August 2010 eingelegten Einsprüche vom 14. Oktober 2010 begründete der Kläger damit, dass diesen jeweils der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegenstünde. Das Finanzamt wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011 als unbegründet zurück.

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