rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung im Insolvenzverfahren. insolvenzrechtliches „Begründetsein” des Erstattungsanspruchs bei erneuter Vorsteuerkorrektur nach quotaler Befriedigung der Gläubiger

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Insolvenzverfahren kommt es hinsichtlich der Frage, ob ein steuerrechtlicher Anspruch zur Insolvenzmasse gehört oder ob die Forderung des Gläubigers eine Insolvenzforderung ist, nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war. Maßgeblich ist vielmehr, wann nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt war.

2. Für das insolvenzrechtliche „Begründetsein” eines Vorsteuervergütungsanspruchs des Schuldners ist allein der Zeitpunkt der Leistungserbringung an diesen erheblich. Das gilt auch, soweit die zunächst infolge der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners korrigierte Vorsteuer aufgrund der quotalen Befriedigung der Gläubiger erneut zugunsten der Insolvenzmasse zu berichtigen ist.

 

Normenkette

InsO §§ 35, 38, 95, 96 Abs. 1 Nr. 1; AO § 226 Abs. 1; BGB §§ 387, 388 S. 1; UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 07.07.2010; Aktenzeichen VII B 253/09)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Verrechnung eines Umsatzsteuererstattungsanspruchs mit Steuerrückständen der Gemeinschuldnerin.

Mit Beschluss des Amtsgerichts von 2001 wurde über das Vermögen der Firma … (nachfolgend: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Das Finanzamt meldete mit Schreiben vom 7. Juni 2001 u. a. Steuerverbindlichkeiten der Schuldnerin in Höhe von … DM (… EUR) im Insolvenzverfahren an, die aus einer im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung für 1999 vorgenommenen Korrektur der durch die Schuldnerin vor Insolvenzeröffnung in Anspruch genommenen Vorsteuern aus Eingangsrechnungen resultierten, die infolge der Insolvenz nicht mehr bezahlt wurden. Diese wurden in voller Höhe anerkannt.

Das Insolvenzverfahren wurde im Frühjahr 2005 abgeschlossen. In diesem Zusammenhang reichte der Kläger am 29. August 2005 beim Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung für das zu diesem Zeitpunkt noch laufende Geschäftsjahr 2005 ein, aus der sich ein Vorsteuererstattungsanspruch in Höhe von … EUR errechnete. Dieser ergab sich in Höhe von … EUR aus den an die Insolvenzmasse adressierten Rechnungen für Verwertungsleistungen Dritter sowie aus der mit Umsatzsteuer belasteten Insolvenzverwaltervergütung des Klägers. Der Rest in Höhe von … EUR folgte daraus, dass die zunächst infolge der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin korrigierte Vorsteuer aufgrund der quotalen Befriedigung der Gläubiger erneut zugunsten der Insolvenzmasse zu berichtigen war. Den angemeldeten Vorsteuererstattungsanspruch setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 15. September 2005 fest.

Gemäß Umbuchungsmitteilung des Finanzamts vom 23. September 2005 wurde der sich aus der zweiten Vorsteuerberichtigung ergebende Teil des Erstattungsbetrags in Höhe von … EUR auf Rückstände der Gemeinschuldnerin aus den Monaten November und Dezember 1999 umgebucht. Der Restbetrag wurde an den Kläger ausbezahlt.

Der Kläger wandte sich gegen die Verrechnung und beantragte hinsichtlich der vorgenommenen Aufrechnung einen Abrechnungsbescheid. Das zwischenzeitlich zuständig gewordene beklagte Finanzamt (nachfolgend: Beklagter) erließ am 16. Februar 2006 sodann einen entsprechenden Abrechnungsbescheid, in welchem die Aufrechnung bestätigt wurde.

Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Aufrechnung sei zulässig, weil der dem Vorsteuererstattungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegen habe.

Seine daraufhin erhobene Klage begründet der Kläger im Wesentlichen damit, dass die Aufrechnung gegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung (nachfolgend: InsO) verstoße, da es sich bei dem streitgegenständlichen Vorsteuererstattungsanspruch um einen nach Insolvenzeröffnung entstandenen Masseanspruch handle.

Die insoweit ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach für die Beurteilung des Entstehungszeitpunkts des Vorsteuererstattungsanspruchs nicht auf steuerrechtliche Maßstäbe, sondern auf insolvenzrechtliche Kriterien abzustellen sei, sei infolge des Wechsels von der Konkursordnung (nachfolgend: KO) zur InsO historisch überholt und zudem dogmatisch nicht haltbar. Dies ergäbe sich daraus, dass nach der Konkursordnung der Neuerwerb im Verfahren nach § 1 KO nicht zur Konkursmasse zählte, § 35 InsO hingegen das Neuvermögen ausdrücklich als massezugehörig definiere.

Eine erneute Vorsteuerkorrektur nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 des Umsatzsteuergesetzes in der hier maßgebenden Fassung (UStG) könne zudem erst stattfinden, nachdem feststehe, dass durch das Insolvenzverfahren Insolvenzgläubiger befriedigt werden können. Aus diesem Grund könne ein Vorsteuerberichtigungsanspruch aus einer zweiten Korrektur auch erst nach Eröffnu...

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