rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Duldungsbescheid, Wertersatz nach Weiterveräußerung des anfechtbar Erlangten, Gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach Weiterveräußerung kann der Ersterwerber das anfechtbar Erlangte nicht mehr durch Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 11 Abs. 1 S. 1 AnfG zur Verfügung stellen.

2. Das FA kann von dem Ersterwerber als Inhaber einer Auflassungsvormerkung oder eines dinglichen Nießbrauchsrechts nach § 11 Abs. 1 S. 1 AnfG den Vorrang der zu vollstreckenden Steuerforderungen verlangen. Im Übrigen schuldet der Ersterwerber unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 AnfG Wertersatz.

3. Maßgeblich für die Ermittlung des Wertersatzes i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 2 AnfG ist der im Rahmen einer Zwangsversteigerung erzielbare Wert des anfechtbar Erlangten im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung.

4. Wertersatz in Form des Surrogats (Veräußerungsentgelt) hat der Anfechtungsgegner nicht zu leisten, wenn das FA dies nicht durch Duldungsbescheid verlangt. Ein entsprechender Antrag des FA im Klageverfahren genügt wegen des bei Ermessensentscheidungen eingeschränkten Prüfungsumfangs gem. § 102 FGO nicht.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1, § 11 Abs. 1; AnfG § 11 Abs. 2; FGO § 102

 

Tenor

1. Die Duldungsbescheide vom 2. Januar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 28. August 2017 und die zugehörigen Leistungsgebote vom 8. Dezember 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. August 2017, diese in Gestalt der geänderten Leistungsgebote vom 4. Juli 2018 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Duldungsbescheiden und dazu ergangenen Leistungsgeboten gegen den am 2. März 1992 geborenen Kläger.

Der Vater des Klägers (A) ließ am 13. April 2000 in seinem Depot bei Stadtsparkasse D 597.000 Inhaber-Stückaktien an X-AG mit der Wertpapierkennnummer (WKN) … zugunsten der Mutter des Klägers (B) umbuchen. Mit Vertrag vom 29. Mai 2000 übertrug A dem Kläger, vertreten durch B, unentgeltlich 597.000 Aktien an X-AG, Bezug nehmend auf die vorstehende Umbuchung.

Mit notariellem Vertrag vom 28. August 2000 zwischen A – „nach Angabe nicht verheiratet” – und B „als allein Sorgeberechtigte” für den Kläger übertrug A dem Kläger im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die Grundstücke …. Die in Abteilung III eingetragene Grundschuld für C-Bank über … DM war zu löschen. Der Vertrag sah ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht des A vor, wobei der Nießbraucher auch außerordentliche Lasten zu tragen hatte. Nach § 7 Abs. 2 des Vertrags war eine behördliche Genehmigung nicht erforderlich.

Im Grundbuch wurden bei den o. g. Grundstücken am 20. November 2000 das Eigentum des Klägers und der Nießbrauch des A eingetragen sowie die Grundschuld gelöscht.

Im Mai 2001 wurden aus dem Depot des Klägers 431.910 Stück Aktien der WKN … für insgesamt … EUR veräußert.

Gegenüber A erließ das beklagte Finanzamt (FA) am 5. Juli 2001 mangels Einreichung einer Steuererklärung einen Schätzungsbescheid für 1999 über Einkommensteuer (Fälligkeit 8. August 2001).

Das FA kündigte jeweils mit Schreiben vom 12. Juli 2001 gegenüber B als Vertreterin des Klägers an, die Übertragungen der Aktien und Grundstücke anzufechten.

Das Finanzamt G erließ am 2. Januar 2002 zwei Duldungsbescheide, jeweils adressiert an B als Inhaberin des Sorgerechts für den Kläger. In den Bescheiden focht das Finanzamt G wegen Einkommensteuerverbindlichkeiten des A für 1999 in Höhe von insgesamt … DM gem. § 191 Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 4 Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (AnfG) die Übertragung bestimmter Vermögensgegenstände des A auf den Kläger an, die das Land als Gläubiger benachteiligen würden. Weiter führte das Finanzamt G jeweils aus, der Kläger habe in Höhe der genannten Steuerverbindlichkeiten des A die Vollstreckung in die übertragenen Vermögenswerte gem. § 11 AnfG zu dulden, als gehörten sie noch zum Vermögen des A.

Mit dem einen Duldungsbescheid focht das Finanzamt G die Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge der o. g. Grundstücke durch A auf den Kläger aufgrund Vertrags vom 28. August 2000 an.

Mit dem anderen Duldungsbescheid focht das Finanzamt G die Übertragung von 597.000 Inhaber-Stückaktien an X-AG auf den Kläger mit Schenkungsvertrag vom 29. Mai 2000 an. Falls die Vollstreckung wegen Weiterveräußerung oder Verschlechterung des Zustands des Vermögensgegenstandes nicht mehr möglich sei, habe der Kläger die Vollstreckung in sein Gesamtvermögen bis zu einem Wertersatz in Höhe der genannten Steuerverbindlichkeiten des A zu dulden.

In den Duldungsbescheid...

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