Entscheidungsstichwort (Thema)

„Zureichender Grund” und analoge Anwendung des § 68 FGO im Fall einer Untätigkeitsklage. Verwendungsbeschränkung nach § 13 Abs. 1 StraBEG bei Aufhebung der Steuerfestsetzung und Steuerhinterziehung durch überhöhte Verlustfeststellung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aus § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG ergibt sich nicht, dass der Steueranspruch verfahrensrechtlich so lange als erloschen gilt, bis die – durch die strafbefreiende Erklärung bewirkte – Festsetzung aufgehoben worden ist. Ein gegen die Aufhebung der durch die strafbefreiende Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung gerichtetes Klageverfahren ist daher nicht vorgreiflich für ein Verfahren gegen in der Folge ergangene geänderte Verlustfeststellungsbescheide nach § 10d Abs. 4 EStG und kein zureichender Grund, über Letzteres nicht zu entscheiden.

2. § 68 Abs. 1 S. 1 FGO ist entsprechend seinem Sinn und Zweck im Fall einer Untätigkeitsklage trotz Nichtvorliegens einer Einspruchsentscheidung entsprechend anwendbar.

3. Auch ein Aufhebungsbescheid, mit dem die durch die strafbefreiende Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung aufgehoben wird, bewirkt nicht, dass die Verwendungsbeschränkung i. S. d. § 13 Abs. 1 StraBEG nicht mehr gegeben ist. Nach Aufhebung der Festsetzung unter Nichtbeachtung der Verwendungsbeschränkung erlassene Steuerbescheide (im Streitfall Einkommensteuer- und Verlustfeststellungsbescheide) sind daher rechtswidrig.

 

Normenkette

FGO § 46 Abs. 1, § 68 Abs. 1 S. 1; StraBEG § 10 Abs. 3 S. 1, § 13 Abs. 1; EStG 1997 § 10d Abs. 4; EStG 2002 § 10d Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.10.2013; Aktenzeichen VIII R 25/10)

 

Tenor

1. Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1996, zum 31. Dezember 1997 und zum 31. Dezember 1998 sowie über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1999, jeweils vom 5. Oktober 2006, werden aufgehoben.

2. Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2000 und zum 31. Dezember 2001, jeweils vom 5. Oktober 2006 in Gestalt der Bescheide vom 7. Mai 2008, werden abgeändert. Dem Beklagten wird aufgegeben, die jeweils festzustellenden verbleibenden Verlustvorträge nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger, von Beruf Gastwirt, wurde von dem Beklagten – dem Finanzamt – in den Streitjahren 1996 bis 2001 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb, nichtselbstständiger Arbeit sowie teilweise aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Bis zum Veranlagungszeitraum 1999 erfolgte die Veranlagung des Klägers zusammen mit seiner damaligen Ehefrau, seit dem Veranlagungszeitraum 2000 wird der Kläger einzeln zur ESt veranlagt.

Die ESt-Erklärungen für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 2001 gingen am 30. April 1998 (für 1996), am 20. Mai 2000 (für 1997), am 26. Januar 2001 (für 1998), am 23. November 2001 (für 1999), am 26. November 2002 (für 2000) und am 30. April 2003 (für 2001) beim Finanzamt ein. Einkünfte aus Spekulationsgeschäften wurden nicht und Einkünfte aus Kapitalvermögen lediglich für 1998 (in Höhe von 192.898 DM), für 2000 (in Höhe von 1.791 DM) und für 2001 (in Höhe von 2.983 DM) erklärt. In den daraufhin ergangenen ESt-Bescheiden für 1996 bis 2001 wurde die ESt aufgrund hoher Verluste aus Gewerbebetrieb bzw. aufgrund der Berücksichtigung von Verlustabzügen jeweils mit null DM festgesetzt, wie sich im Einzelnen aus der nachfolgenden Tabelle ergibt:

Veranlagungszeitraum (Vz)

Datum des ESt-Bescheides

Gesamtbetrag der Einkünfte (DM)

berücksichtigter Verlustabzug (DM)

festgesetzte ESt (DM)

1996

12. November 1999

-1.649.198

0

1997

13. Juni 2000

-3.191.889

0

1998

8. März 2001

-847.359

0

1999

29. Januar 2003

12.207

0

2000

29. Januar 2003

1.708.335

1.133.273 (neues Recht) 557.227 (Altverluste)

0

2001

30. Mai 2003

2.028.448

2.013.598 (Altverluste)

0

Mit Ausnahme des ESt-Bescheides für 1996 ergingen die obengenannten ESt-Bescheide zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN); dieser wurde für die Jahre 1997 bis 1999 mit Bescheiden vom 31. März 2004 jeweils aufgehoben (für 1999 unter gleichzeitiger hier nicht streiterheblicher Änderung bei den Sonderausgaben).

Der zum 31. Dezember der Veranlagungszeiträume 1996 bis 2001 jeweils verbleibende Verlustabzug bzw. (bzw. ab 1999) – vortrag wurde mit Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge