Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesonderte Feststellungen wegen rückwirkendem Ereignis und Ergänzungsbescheide zu Gewerbesteuermessbescheiden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag ist Grundlagenbescheid nicht nur für den Gewerbesteuerbescheid, sondern auch für eine eventuelle Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO zur Gewerbesteuer durch die Gemeinde.

2. § 7g Abs. 3 S. 4 EStG wonach § 233a Abs. 2a AO nicht anzuwenden ist, wenn die Rückgängigmachung der Gewinnminderung aufgrund der unterbliebenen Anschaffung erfolgt, gilt erst ab dem Veranlagungszeitraum 2013.

3. Für den Zinslauf gem. § 233a Abs. 2a AO ist die Entscheidung darüber, ob die Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids auf einem rückwirkenden Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO und damit zugleich auch auf einem rückwirkenden Ereignis i. S. v. § 233a AO beruht, gegenüber allen Feststellungsbeteiligten mit bindender Wirkung einheitlich zu treffen.

4. Aus § 239 Abs. 3 Nr. 1 AO (BGBl 2016 I S. 1679) kann erst ab dem 1.1.2017 ein Anspruch auf eine gesonderte Feststellung eines rückwirkenden Ereignisses beim Gewerbesteuermessbetrag abgeleitet werden.

5. Soweit in AEAO zu § 233a AO, Nr. 74 für die Jahre bis 2016 bereits eine Feststellung über die Auswirkungen eines rückwirkenden Ereignisses auch im Gewerbesteuermessbescheid vorsah, fehlte es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage.

 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, § 184 Abs. 1 S. 2, § 233a Abs. 1, 2a, § 239 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1; EGAO Art. 97 § 15 Abs. 12 S. 1; EStG § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 Sätze 4, 2-3

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob Ergänzungsbescheide zu Gewerbesteuermessbescheiden zu erlassen sind.

Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2007 und 2008 einen [… Waren-]handel. Er ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz in der Fassung der Streitjahre (EStG).

Nachdem er zunächst keine Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre abgegeben hatte, setzte der Beklagte (das Finanzamt) mit jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung in der Fassung der Streitjahre (AO) stehenden Bescheiden vom 22. Juli 2009 den Gewerbesteuermessbetrag 2007 auf 1.200 EUR und vom 6. Mai 2010 den Gewerbesteuermessbetrag 2008 auf 0 EUR fest.

In den daraufhin eingereichten Gewerbesteuererklärungen erklärte der Kläger im Gewerbeertrag Gewinne, bei denen jeweils ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG) vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) im Hinblick auf die voraussichtliche Anschaffung bestimmter Wirtschaftsgüter abgezogen wurde. Der Investitionsabzugsbetrag betrug 32.000 EUR für 2007 und 56.600 EUR für 2008. Mit Gewerbesteuermessbescheid 2007 vom 13. Januar 2010 berücksichtigte das Finanzamt einen Gewinn von 70.450 EUR, setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf 1.220 EUR fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Mit weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom 6. Dezember 2010 berücksichtigte das Finanzamt einen Gewinn von 34.640 EUR und setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf 353 EUR fest; mit Bescheid vom 29. Juli 2011 hob es den Vorbehalt der Nachprüfung für 2008 auf.

Nachdem der Kläger die Investitionen nicht innerhalb des Investitionszeitraums vornahm, machte das Finanzamt den Abzug bei den Gewinnen für die Jahre 2007 und 2008 rückgängig und änderte mit Bescheiden jeweils vom 13. November 2013 die bisherigen Festsetzungen der Gewerbesteuermessbeträge. Die Änderungen der Bescheide begründete das Finanzamt jeweils mit einem Hinweis auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO. Es berücksichtigte im Jahr 2007 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 102.450 EUR und setzte den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 auf 2.820 EUR fest. Für 2008 berücksichtigte es einen Gewinn in Höhe von 91.240 EUR und setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf 2.334 EUR fest. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2013 beantragte der steuerliche Vertreter des Klägers den Erlass von Ergänzungsbescheiden gemäß § 179 Abs. 3 AO, in denen festgestellt werden sollte, dass es sich bei der Rückgängigmachung der Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG um ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 233a Abs. 2a AO handle.

Das Finanzamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. Januar 2014 ab. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 21. November 2014). Zur Begründung führte das Finanzamt aus, § 179 Abs. 3 AO sei für die Festsetzung von Gewerbesteuermessbeträgen nicht anwendbar. Das ergäbe sich unmittelbar aus dem Gesetz. Gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 AO würden Steuermessbeträge festgesetzt, nicht festgestellt. § 184 Abs. 1 Satz 3 ordne an, die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß anzuwenden. In logischer Konsequenz könne es sich dabei neben den allgemeinen Bestimmungen...

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