rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungskonformität der Neuregelung zur Ergänzung von Ermessenserwägungen im finanzgerichtlichen Verfahren. Ermessensausübung bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags. Ergänzende Darlegung der Ermessenserwägungen i. S. des § 102 S. 2 FGO. Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1996

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die dem FA aufgrund der Änderung des § 102 FGO durch das Steueränderungsgesetz 2001 ab 2002 eingeräumte Möglichkeit zur Ergänzung von Ermessenserwägungen auch noch nach dem Ergehen der Einspruchsentscheidung verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot und ist daher nicht verfassungswidrig.

2. Nach § 102 Satz 2 FGO n.F. ist das FA bei einer Ermessensentscheidung berechtigt, noch in der mündlichen Verhandlung beim Finanzgericht die bisherigen Ermessenserwägungen zu ergänzen, z. B. im Hinblick auf Sachverhalte, die erst nach dem Ergehen der Einspruchsentscheidung entstanden sind.

3. Es bleibt offen, ob § 102 Satz 2 FGO auch dann Anwendung findet, wenn früher unterlassene Ermessenserwägungen erst in der mündlichen Verhandlung nachgeholt oder früher fehlerhafte Erwägungen vom FA nachträglich korrigiert bzw. nachgebessert werden.

4. Dass zwischenzeitlich die Steuererklärungen der Folgejahre fristgerecht abgegeben worden sind, rechtfertigt nicht die Herabsetzung oder Aufhebung des Verspätungszuschlags für das laufende Jahr.

5. Zur Ermessensausübung bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags, wenn bereits die Steuererklärungen der Vorjahre erst nach Ergehen von Schätzungsbescheiden abgegeben worden, es beim Bevollmächtigten zu unerwarteten Personalengpässen gekommen ist und die Steuerpflichtigen zeitweise wegen schweren Erkrankungen die nötigen Unterlagen und Erklärungen nicht abgeben konnten.

 

Normenkette

FGO § 102 Sätze 2, 1; AO 1977 §§ 5, 152 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3; AO 1977 § 152 Abs. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags.

Die Kläger (Kl) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In einer Anlage zum Einkommensteuerbescheid (Schätzungsbescheid) 1995 vom 1.9.1997 hatte der Beklagte (Finanzamt – FA –) darauf hingewiesen, dass die Steuererklärung für das Jahr 1996 (Streitjahr) bis spätestens 30.11.1997 abzugeben sei und eine Fristverlängerung darüber hinaus nicht gewährt werden könne. Begründet wurde dies damit, dass die Steuererklärungen der Vorjahre bereits mehrfach erst nach Schätzung der Besteuerungsgrundlagen eingereicht worden seien.

Die Steuererklärung für das Jahr 1993 hatten die Kl erst im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens (Aktenzeichen: 1 K 1801/97) gegen einen vom FA erlassenen Schätzungsbescheid mit Schriftsatz vom 15.9.1997 eingereicht. Im Schätzungsbescheid vom 26.8.1996 war insoweit ein Verspätungszuschlag in Höhe von 500 DM festgesetzt worden. Die betreffende Klage wurde zurückgenommen.

Auch die Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 1994 waren vom FA zunächst geschätzt worden. Außerdem war im Einkommensteuerbescheid 1994 vom 23.8.1996 (Einkommensteuer: 21.284 DM), der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, ein Verspätungszuschlag in Höhe von 210 DM festgesetzt worden. Nach Eingang der Einkommensteuererklärung 1994 am 18.12.1997 wurde die Einkommensteuer mit Bescheid vom 23.1.1998 auf 136.396 DM heraufgesetzt. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags blieb unverändert bestehen.

Im Einkommensteuerbescheid 1995 vom 1.9.1997 war ein Verspätungszuschlag in Höhe von 300 DM festgesetzt worden. Dieser blieb unverändert bestehen, nachdem die Steuererklärung am 18.12.1997 beim FA eingereicht und die Steuer mit Bescheid vom 23.1.1998 auf 147.272 DM heraufgesetzt worden war.

Mit Schreiben vom 30.9.1997 beantragte der steuerliche Vertreter eine Verlängerung der Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996 bis zum 28.2.1998 und stützte diesen Antrag auf Billigkeitsgründe. Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis auf das bisherige Abgabeverhalten mit Schreiben vom 23.10.1997 ab. Zugleich verwies es auf die Fristsetzung bis zum 30.11.1997 und bat um Einhaltung dieser Frist.

Nachdem die Kl die Einkommensteuererklärung 1996 nicht innerhalb der genannten Frist abgegeben hatten, schätzte das FA auch die Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr und setzte die Einkommensteuer 1996 mit Bescheid vom 29.1.1998 auf 156.314 DM fest. Hieraus ergab sich eine Abschlusszahlung in Höhe von 32.354 DM. Gleichzeitig setzte das FA einen Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1996 in Höhe von 500 DM fest.

Im Einspruchsverfahren wiesen die steuerlichen Vertreter mit Schreiben vom 19.3.1998 (ESt-Akte 1996 Bl 12) darauf hin, dass die beantragte Abgabefrist wegen einer besonderen Ausnahmesituation (Ausfall mehrerer Arbeitskräfte) nicht eingehalten habe werden können. Aus diesem Grunde beantragten sie eine weitere Verlängerung der Abgabefrist bis 30.4.1998. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf dieses Schreiben Bezug genommen. Mit...

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